Sag mir, wo die Mädchen sind
mich Heini Korhonen an.
«Er wird nicht verhaftet, aber es liegt in seinem eigenen Interesse, mit uns zusammenzuarbeiten.» Ich hörte einen Wagen vorfahren und Türen aufgehen. Kurz darauf klingelte es, und als ich öffnete, marschierte der gute alte Himanen herein, mit dem ich vor fünf Jahren eine der quälendsten Verhaftungssituationen meiner Laufbahn durchgestanden hatte. Der zweite Polizist, auf dessen Namensschild Sutinen stand, sah aus, als sei er frisch von der Polizeischule gekommen.
«Das hier ist Tuomas Soivio, nach dem das Gewaltdezernat fahndet. Er soll im Mordfall Noor Ezfahani befragt werden.» Ich bemühte mich, leise zu sprechen, aber die Mädchen hörten natürlich jedes Wort und begriffen, was los war. «Bringt ihn aufs Präsidium. Ich checke, ob vom Ermittlungsteam noch jemand dort ist, und organisiere einen Vernehmungsbeamten oder komme selbst hin. Mach dir keine Sorgen, Tuomas. Wir brauchen deine Hilfe.»
Der Junge sah mich an, als begreife er gar nichts. Dann zuckte er die Schultern und ging. Himanen und Sutinen brauchten keine Gewalt anzuwenden, der Junge folgte ihnen wie ein gut abgerichteter Hund.
Meine nächste Aufgabe war noch schwieriger als die Auslieferung von Tuomas Soivio. Ich suchte in der Mädchenschar nach dem vertrauten Gesicht. Iida brauchte keine Aufforderung, sie verstand, dass wir gehen mussten. Aber ich wusste, dass sie mir noch lange nachtragen würde, was im Mädchenclub geschehen war.
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8
W ohin willst du denn jetzt noch?», fragte mein Vater verwundert, als ich Iida an der Haustür absetzte, durch die er gerade trat, um den Müll wegzutragen. Mein Vater spielte den Putzmann, wahrscheinlich fühlte er sich als Rentner dazu verpflichtet, zumal sich der Arbeitstag seiner Tochter endlos in die Länge zu ziehen schien. Da Iida bereits im Mädchenclub mitbekommen hatte, in welchen Bahnen die Ermittlungen über den Mord an Noor verliefen, hatte ich während der Fahrt Ruuskanen angerufen und ihn gefragt, wo seine Leute waren. Koivu und Puupponen hatten sich um sieben Uhr bei mir abgemeldet; sie hatten das Präsidium verlassen, nachdem die letzten Mitglieder der Familie Ezfahani, Großvater, Onkel und Vettern, befragt worden waren. Die Protokolle hatten sie mir bereits auf den Computer geschickt. Ursula wiederum hatte mit Susanne Janssons Eltern gesprochen und anschließend auch mit dem Arzt telefoniert, der angeordnet hatte, dass das Mädchen vorläufig nicht behelligt werden dürfe.
«Die Familie schützt ihre kleine Prinzessin, die mit den harten Fakten des Lebens konfrontiert worden ist. Offenbar haben sie ihr eine halbe Apotheke eingeflößt, damit sie nur ja nichts spürt», mokierte sich Ursula am Telefon. «Immerhin habe ich erfahren, dass Tuomas und Noor sich manchmal bei Susanne getroffen haben und nach Ansicht der Janssons eindeutig ein Paar waren, und zwar ein niedliches. Oder wie die Dame des Hauses sagte:
så gulliga
. Die Janssons sind nämlich Finnlandschweden und ziemlich betucht. Der Mann ist Direktor bei der Aktia-Bank und sieht durchaus vernaschbar aus.»
Zum Glück hörte Iida über ihr Handy Musik und bekam nicht mit, was Ursula sagte. Da auch die anderen aus Ruuskanens Team noch beschäftigt waren, rief ich Puupponen an und bat ihn, zum Präsidium zu kommen. Er war im Fitnessstudio, versprach aber, in einer halben Stunde da zu sein. Koivus Kinder würden ihren Vater an diesem Abend nicht entbehren müssen. Puupponen wäre auch ohne mich mit Soivio zurechtgekommen, doch ich wollte bei der Vernehmung dabei sein. Immerhin hatte ich den Jungen gefunden – wenn auch rein zufällig und auf Kosten der armen Iida.
Im Erdgeschoss des Präsidiums traf ich nur den Diensthabenden an, von dem ich erfuhr, dass Tuomas Soivio in das Vernehmungszimmer im Untergeschoss gebracht worden war, wo Zellenaufseher Koskinen ihn bewachte. Der Junge sei bei der Einlieferung völlig ruhig gewesen und war es weiterhin, wie mir Koskinen per SMS bestätigte. Ich brauchte mich also nicht zu beeilen.
Draußen war es bereits dunkel, im Präsidium herrschte Stille, nur eine Uhr tickte laut. Das Maskottchen der Espooer Polizei, ein Tintenfisch aus Plüsch, hing schlaff von der Decke; ich hätte nicht übel Lust gehabt, seine Fangarme zusammenzubinden. Liisa Rasilainen kam mit einem Becher Kaffee vom Automaten.
«Maria! Immer noch hier?»
«Wir haben Tuomas Soivio. Und was machst du noch hier?»
«Ich will noch rasch meinen Bericht über die Aussagen der
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