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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Unterricht mehr, also bin ich nach Hause. Wir hatten uns für acht Uhr verabredet, vorher wollte Noor kurz im Mädchenclub reingucken, damit das, was sie ihren Eltern erzählt hat, nicht komplett gelogen war. Sie hat es gehasst, ihnen nicht die Wahrheit sagen zu können. Am Abend ist sie dann aber nicht gekommen und hat auch meine SMS nicht beantwortet. Ich dachte, die Eierköpfe hätten sie nicht aus dem Haus gelassen. Zuerst wollte ich hinfahren und nachsehen, aber dann habe ich es doch sein lassen. Wäre ich bloß hingefahren, vielleicht hätte ich sie retten …»
    «Welche Eierköpfe?»
    «Na, die Kerle in der Familie. Die schnüffeln ihr andauernd hinterher. Rahim ist am schlimmsten. Wenn es nach ihm ginge, müsste Noor von der Schule abgehen und das Medizinstudium vergessen. Stattdessen sollte sie ihn heiraten und reihenweise Kinder produzieren, die dann von unserer Gesellschaft durchgefüttert werden.»
    Ich erinnerte mich an das, was Sylvia Sandelin mir erzählt hatte: Tuomas habe früher in ausländerfeindlichen Kreisen verkehrt, seine Meinung aber geändert, als er sich in Noor verliebt hatte. Vielleicht betraf sein Gesinnungswandel nur den weiblichen Teil der Migrantenszene.
    «Sag uns noch einmal, was du dachtest, als Noor nicht zu eurem Treffen kam», bat Puupponen.
    «Dass man sie nicht aus dem Haus gelassen hat.»
    «Ist das öfter passiert?»
    «Ab und zu. Manchmal ist Noor weggelaufen. Die haben sich nicht mehr getraut, sie zu schlagen, weil Heini und Nelli ihr gesagt haben, sie könnte zur Polizei gehen und der Mädchenclub würde ihr eine Anwältin besorgen. Noor kannte ihre Rechte, aber sie wollte sich nicht andauernd mit den Männern der Familie streiten, vor allem, weil ihre Mutter so darunter litt.» Tuomas wirkte nun wacher und lebhafter. Bei jeder Bewegung löste sich getrockneter Schlamm von seinen Kleidern und fiel auf den Sessel und den Fußboden.
    «Warst du am Dienstag den ganzen Abend zu Hause?»
    «Ja. Das war wohl ein Fehler. Ich hätte Noor da rausholen und bei uns in Sicherheit bringen müssen.»
    «Kann jemand bezeugen, dass du die Wohnung deiner Eltern nicht verlassen hast?»
    Soivio schnitt Puupponen eine Grimasse. «Die Polizei will ein Alibi von mir! Meine Eltern zählen wohl nicht? Ich war mit ein paar Freunden auf Messenger, weil ich so sauer war. Die Threads findet ihr bestimmt. Gegen halb zehn war mein Onkel bei uns und hat mir ein Ticket für das nächste Spiel von den Blues gebracht, der ist zu mir in mein Zimmer gekommen. Oder glaubt ihr dem auch nicht, weil er ein Verwandter ist?»
    «Name und Telefonnummer?», fragte Puupponen. Tuomas nannte ihm den Namen seines Onkels, sagte aber, die Nummer habe er auf seinem Handy gespeichert, dessen Akku nach wie vor leer war.
    «Wie würdest du dein Verhältnis zu Noor Ezfahani beschreiben?»
    Tuomas konnte zwar davon ausgehen, dass die Polizei über die Beziehung informiert war, doch ich wollte hören, wie er selbst sie definierte.
    «Wir sind miteinander gegangen. Wenn ihr nicht wüsstet, dass ich Noors Freund war, hättet ihr mich ja wohl nicht hergeschleppt. Im September hatten wir in der Schule eine Disco, da hat es angefangen.»
    «Was habt ihr zusammen gemacht?»
    Tuomas errötete, obwohl ich ihn nicht ausdrücklich gefragt hatte, ob er mit Noor Sex gehabt hatte. Auch das war selbstverständlich wichtig für die Aufklärung des Verbrechens, denn ganz offensichtlich hielt Noors Familie daran fest, dass Mädchen jungfräulich in die Ehe zu gehen hatten. Was Tuomas nun beschrieb, war typisch für eine Beziehung in diesem Alter: Man traf sich in Cafés, bei Freunden oder bei den Soivios, sah sich Filme an, spielte gemeinsam am Computer.
    «Noor ging oft in den Mädchenclub. Warst du eifersüchtig, weil sie sich so gern an einem Ort aufhielt, zu dem du keinen Zutritt hattest?», fragte Puupponen.
    Tuomas schüttelte den Kopf. «Ich hab auch meine eigenen Hobbys, ich spiele Unihockey und gehe ins Fitnessstudio. Der Club ist echt gut für Migrantenmädchen, da lernen sie, dass sie sich nicht an die steinzeitlichen Regeln zu halten brauchen, die ihre Imams ihnen eintrichtern. Und Noor ist oft nur kurz in den Club gegangen und dann zu uns gekommen. Ihr Vater und ihr Großvater haben ganz schön Schiss gekriegt, als Sylvia Sandelin sie sich vorgeknöpft hat, weil sie Noor nicht erlauben wollten, Abitur zu machen. Keiner weiß, was Sylvia ihnen gesagt hat, aber danach haben sie sich nicht mehr getraut, Noor festzuhalten. Das haben

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