Sag mir, wo die Mädchen sind
Leben führt und für dessen Ansichten ich nicht verantwortlich bin. Wenn du dieses Gespräch unbedingt fortsetzen willst, dann bitte unter vier Augen, es ist nicht nötig, die Zeit des gesamten Teams dafür zu verschwenden.»
«Für die Ermittlungen ist es meiner Meinung nach wichtig zu wissen, dass Rahim Ezfahani zwei Vorstrafen wegen Körperverletzung hat. Darüber wurden bislang nicht alle informiert», insistierte Koivu. Ruuskanen, dessen Gesicht mittlerweile dunkelrot angelaufen war, würdigte ihn keiner Antwort, sondern blätterte in seinen Papieren, als wolle er sagen, es sei Zeit, zu wichtigeren Dingen überzugehen. Ich hatte am vorigen Abend durch Tuomas Soivio von den Vorstrafen erfahren, also wäre es an mir gewesen, sie zur Sprache zu bringen, doch ich hatte dem Ermittlungsleiter nicht auf die Füße treten wollen. Seine Situation war wirklich nicht beneidenswert. Der Parteispendenskandal hatte dazu geführt, dass sowohl die Medien als auch die Bevölkerung überall Verschwörungen witterten, und wenn wir uns nicht absicherten, würden bald auch der Espooer Polizei dunkle Machenschaften angedichtet werden.
«Die Sechsergruppe, die ich vorhin genannt habe, hält sich in Bereitschaft, bis wir alle Ezfahanis hier haben. Ich besorge uns einen Dolmetscher, denn einige Familienmitglieder können nicht gut genug Finnisch. Wenn es so weit ist, rufe ich euch per SMS zusammen. Lehtovuori, bereite bitte diesen Raum vor, achte darauf, dass genug Stühle vorhanden sind. Außer den Tonaufnahmen möchte ich auch Videos, die wir später analysieren können. Denk über die Sitzordnung nach. Wenn wir im Kreis sitzen, können wir mühelos je einen Polizisten zwischen zwei Ezfahanis platzieren, aber dann gibt es womöglich Probleme mit der Anordnung der Kameras.»
«Im Kreis?», fragte Koivu verwundert.
«So ähnlich wie am Lagerfeuer. Entsteht dadurch nicht eine vertrauliche Atmosphäre? Ich möchte, dass ihre Konzentration nachlässt, bis sie sich verplappern. So erzielt man Resultate. Erfahrenen Leuten wie euch brauche ich wohl nicht zu erklären, wo der Täter bei einem Kapitalverbrechen in aller Regel zu finden ist. Kallio, hast du momentan akute Aufgaben für Puupponen in den Fällen, die eure Zelle bearbeitet, oder kann er weiterhin die Internetdiskussionen über den Mord an Noor durchforsten?»
Ich brauchte nicht lange zu überlegen. «Du weißt ja, dass ein Kapitalverbrechen immer Priorität hat. Sollten wir übrigens eine Abhörgenehmigung für die Telefone von Tuomas Soivio und den Ezfahanis beantragen?»
«Warten wir erst mal ab, was bei der Vernehmung rauskommt», antwortete Ruuskanen säuerlich.
Auf meinem Handy war eine zweite SMS von demselben Anschluss eingetroffen, von dem ich vorhin angerufen worden war.
«Vala hier. Ich sitze in der Eingangshalle der Espooer Polizei neben einem riesigen Plüschtier. Die Zentrale sagt, du bist in einer Sitzung. Melde dich, sobald du kannst. Lauri Vala.»
Ich lachte unwillkürlich auf. Vala hatte tatsächlich die Stirn zu erwarten, dass ich zu ihm gerannt kam, wann immer es ihm passte. Das mochte beim Militär an der Tagesordnung sein, aber ich war nicht seine Untergebene. Ich hörte Ruuskanen, der die Aufgaben verteilte, nur mit halbem Ohr zu. Noors Mitschüler und Lehrer mussten befragt werden, und Puupponen und ich sollten uns noch einmal mit Tuomas Soivio befassen, falls dazu nach der Vernehmung der Ezfahanis Anlass bestand. Am Abend von Noors Tod hatte Tuomas per Messenger seine Lieblingsbands und die finnische Eishockey-Meisterliga kommentiert. Wenn er zwischendurch seine Freundin ermordet und anschließend seelenruhig weiter auf MSN Neuigkeiten ausgetauscht hätte, musste er ein eiskalter Typ sein. Allerdings wäre er nicht der erste junge Mann, der es fertigbrachte, seine Killerseele vor den Angehörigen und vor der Polizei zu verbergen.
«Sylvia Sandelin hat Noors Familie offenbar dazu überredet, Noor das Abitur machen zu lassen. Ich habe schon einmal mit ihr gesprochen, und wir hatten einen guten Draht zueinander, daher würde ich gern mit ihr weitermachen», schlug ich vor, als Ruuskanen mit der Aufgabenverteilung bei mir angekommen war. Er nickte und versuchte sogar zu lächeln. Vielleicht war es Taktik, ein Bündnis der Kommissare gegen ihre Untergebenen. Ich strebte nichts Derartiges an, wollte die Dinge aber auch nicht komplizieren. Mir ging es nur darum zu halten, was ich Iida versprochen hatte.
Ich war gerade wieder in meinem Dienstzimmer
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