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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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langsam und überdeutlich, als könne er uns dadurch helfen, die für uns unbegreifliche persische Sprache zu verstehen.
    «Ich, Rahim und Jalil haben gewartet, bis Farid von der Arbeit kam und sich gewaschen hatte. Dann gingen wir zur Familie meines älteren Sohnes Reza. Rezas Frau hatte das Abendessen gekocht, wie immer. Wir haben ihr Reis und Tomaten mitgebracht. In Finnland sind die Tomaten hart und teuer. Selten gibt es gute, im Winter nie. Meine Schwiegertochter Noor kocht eine sehr gute Tomatensoße, die sollte es am nächsten Tag geben. Jetzt hatte sie Huhn mit Auberginen und Reis zubereitet. Meine Enkelin Noor deckte den Tisch. Sie sagte, sie habe in der Finnischarbeit die Bestnote bekommen. Sie würde Ärztin werden, da sie schon so gut Finnisch konnte.»
    Noors Mutter seufzte. Ruuskanen wartete auf die Fortsetzung des Monologs, doch Reza senior sah seinen ältesten Sohn an, als bitte er ihn, seinen Bericht zu ergänzen. Aber der Sohn schwieg.
    «Hat Noor bereitwillig im Haushalt geholfen?», fragte Ruuskanen Noors Mutter, die neben ihm saß.
    «Bereitwillig? Was heißt das?»
    Die Dolmetscherin erklärte es ihr, worauf die Frau tapfer auf Finnisch antwortete.
    «Es war ihre Aufgabe. Sie darf in Schule gehen, sie hilft zu Hause. Alle helfen, die Jungen auch, Vater und Hamid geht arbeiten. Bei uns nicht fragt, warum, wir einfach tun. Ich sage und Noor tut.»
    Reza senior wurde nervös, weil er nicht verstand, was seine Schwiegertochter sagte, und so kam die Dolmetscherin erneut zum Einsatz. Puupponen, der mir direkt gegenübersaß, wippte demonstrativ mit den Beinen. Roni Timonen, ein junger Ermittler, der in meiner Abwesenheit zum Gewaltdezernat gestoßen war, wirkte dagegen höchst interessiert. Offenbar hatte er bisher nur an der Polizeischule an einer solchen Massenvernehmung teilgenommen.
    «Sie haben sich alle am Esstisch versammelt. Worüber haben Sie sich unterhalten?», fragte Ruuskanen.
    Die Dolmetscherin übersetzte.
    «Über Fußball. Wir haben über Fußball gesprochen», sagte Rahim neben mir. Ich hörte seine Stimme zum ersten Mal. Sie klang heiser, als wäre mit seinen Stimmbändern etwas nicht in Ordnung.
    «Wir haben überlegt, wann der Schnee schmilzt und wir endlich wieder spielen können», ergänzte Hamid, und die anderen nickten. Die Dolmetscherin übersetzte das Ganze für den Großvater, der etwas sagte und diesmal so schnell sprach, dass ich nicht feststellen konnte, wo ein Wort aufhörte und das nächste begann.
    «Die Jungen sind wie kleine Kinder, wenn es um Fußball geht. Sie verfolgen die iranische Liga über Satellit.»
    «Hat sich auch Noor am Gespräch beteiligt?», fragte Koivu. Die Männer verstummten, dann schüttelte Noors Vater den Kopf.
    «Nein. Noor stilles Mädchen, hört viel zu, spricht nicht viel.»
    «Gab es womöglich Streit über das Thema Fußball?», fuhr Koivu fort. Die Antwort war ein striktes Nein in zwei Sprachen. Beide Rezas versicherten, beim Essen sei nicht gestritten worden. Ihre Beteuerungen waren so nachdrücklich, dass sie die gegenteilige Wirkung erzeugten, und Noors Mutter sank immer mehr in sich zusammen. Sie strahlte Angst aus, doch ich konnte nicht sagen, vor wem oder was sie sich fürchtete. Die Männer wirkten ruhiger, zugleich aber wachsam. Sie wiederholten der Reihe nach fast wörtlich dieselbe Geschichte: Wie sie Huhn und Auberginen gegessen hatten und wie zu wenig Zucker im Tee gewesen war und man mehrfach nachzuckern musste.
    «Wohin ist Noor nach dem Abendessen gegangen?» Ruuskanen wurde sichtlich nervös, da in den Aussagen keine Widersprüche auftraten.
    «In ihren Club, finnische Mädchen kennenlernen», antwortete Noors Vater.
    «Gab es Diskussionen darüber?»
    Auch diese Frage löste ausdrucksvolles Kopfschütteln und zahlreiche Verneinungen aus. Allmählich erkannte ich bereits das Wort
nakheir:
Nein auf Persisch.
    «Noor war immer dort», sagte ihr jüngerer Bruder Vafa. «Ist guter Club, weil nur Mädchen. Da sind Mädchen in Ruhe gelassen.»
    «War Noors Freund Tuomas Soivio jemals bei Ihnen?», warf Puupponen ein. Er verhielt sich wie der Stürmer einer Fußballmannschaft, der feststellt, dass die Taktik des Trainers nicht aufgeht, und auf eigene Faust einen sinnlosen Vorstoß unternimmt, an dessen Gelingen er selbst nicht glaubt. Die Stille, die auf die Übersetzung seiner Frage durch die Dolmetscherin folgte, war eindrücklich. Offensichtlich hatten die Ezfahanis auf diese Frage keine Antwort abgesprochen.
    «Noor hatte

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