Sag niemals nie
braunen
Augen leuchteten. Er gab Dan den Schneider zurück. »Jetzt du.«
Natürlich hatte sich Dans Vater
genauso angehört, wie sich Dan gern angehört hätte. Er warf den Bartschneider
auf Jennys Bett und zog sein T-Shirt wieder an. »Ich muss noch Hausaufgaben
machen«, brummte er.
Rufus zuckte mit den Schultern.
»Okay, ich lass dich allein.« Er zwinkerte seinem Sohn zu. »Schon entschieden,
wo du studieren willst?«
»Nein«, antwortete Dan tonlos,
griff sich den Bartschneider und schlurfte in sein Zimmer. Es nervte total, wie
sehr sich sein Vater in die Uni-Geschichte reinsteigerte.
»Die Columbia ist schön nah!«,
rief Rufus. »Du könntest hier wohnen bleiben.«
Als hätte er das nicht schon
tausendmal gesagt.
In seinem Zimmer kramte Dan in
der Schreibtischschublade nach einem Gummi und machte sich einen kurzen
Pferdeschwanz, damit der geschorene Nacken zu sehen war. Er schaltete den
Bartschneider wieder ein. »Schlag mich auf wie ein Eil«, flüsterte er und versuchte seinen Vater zu imitieren,
so gut es eben ging. Er verzog das Gesicht. Seine Stimme klang einfach nicht
kaputt genug.
Er legte den Bartschneider
wieder weg, griff nach dem Stapel Uni-Broschüren, die er seit drei Monaten
ununterbrochen durchblätterte, und warf sich damit aufs Bett. Ihm blieb nur
noch eine Woche, um sich zwischen der NYU, der Brown University, dem Colby und
dem Evergreen College zu entscheiden. Er schlug die Broschüre der Brown auf
der Seite auf, die das Foto eines altmodisch vergeistigten Studenten zeigte,
der wie der junge Keats am Stamm einer riesigen Ulme lehnte und etwas in ein
Notizbuch schrieb. Bevor Dan von den Raves entdeckt worden war und sich den
Nacken rasiert hatte, hatte er sich immer vorgestellt, dass er bald dieser
Student sein könnte.
Er fuhr sich mit der Hand über
die Stoppeln und sah an sich hinunter. Er brauchte dringend neue Klamotten, die
Sachen passten einfach nicht mehr zur Frisur.
Ihr dachtet immer, solche
Probleme hätten nur Mädchen? Tja, Irrtum.
Dan ärgerte sich, dass Jenny
nicht da war, um ihn zu beraten. Aber seine kleine Schwester war zu sehr damit
beschäftigt, Supermodel zu sein, als dass sie Zeit gehabt hätte, seine
Kleiderbestände mit ihm zu durchforsten und ihm zu sagen, was rockstartechnisch
gerade noch und was definitiv gar nicht ging. Er griff nach dem Becher Fol-
ger-Instant-Kaffee, der seit dem Morgen auf dem Boden abkühlte, und trank einen
Schluck. Als er mit grimmiger Miene in den Spiegel guckte, hatte er eine
spontane Vision: Er sah sich auf der Bühne stehen und mit derselben
angepissten, genervten Grimasse ins Publikum schauen. Hey, vielleicht... ganz,
ganz vielleicht, konnte er die Sache auch ohne die Unterstützung seiner
Schwester durchziehen.
Ja. Vielleicht aber auch nicht.
neue
Perspektiven eröffnen sich
feuerfresserin: ich hab einen ziemlich
verdrehten rhyth- mus. ich schlafe den ganzen tag und arbeite dafür nachts.
hairlesskat: was machst du denn?
feuerfresserin: dreimal darfst du raten, ich
trete auf.
hairlesskat: echt als feuerschluckerin?
feuerfresserin: bin gerade dabei, es zu
lernen, hauptsächlich arbeite ich als schlangentänze- rin.
hairlesskat: mit schlangen?
feuerfresserin: ja, ich hab vier eigene.
feuerfresserin: du hast doch nichts gegen
haustiere, oder?
feuerfresserin: bist du noch da? feuerfresserin: hallo?
»Und tschüss!« Vanessa Abrams
klickte das Fenster zu und ging zum Schrank. Sie hatte vor zwei Stunden den
häss- lichen und viel zu warmen Rock, der zur Wintergarderobe der
Constance-Billard-Schülerinnen gehörte (das einzige Stück Schuluniform, das sie
besaß) ausgezogen und sich nicht die Mühe gemacht, etwas anderes anzuziehen. Beverly,
die Studentin, die sie in drei Minuten zum Besichtigungstermin erwartete,
hatte in ihrer Mail von heute Morgen zwar cool geklungen, aber Vanessa nahm an,
dass sie nicht begeistert wäre, wenn sie ihr in ihrem schwarzen Baumwollslip
die Tür aufmachen würde. Ohne hinzugucken, zog sie eine Jeans aus dem obersten
Fach ihres Schranks. Vanessa besaß ausschließlich schwarze Kleidungsstücke und
kaufte aus Überzeugung alles grundsätzlich doppelt. Mit sechs Paar schwarzen
Levi s-Stretchjeans im Schrank musste man sich nie Gedanken darüber machen, was
man anziehen sollte, und konnte einmal pro Woche alles blind in die
Waschmaschine werfen. Sie zerrte die Jeans über ihre weißen, leicht fülligen
Hüften, zog ihr langärmliges schwarzes T-Shirt glatt und fuhr sich einmal
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