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Sag niemals nie

Sag niemals nie

Titel: Sag niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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mit
den Fingern über die millimeterkurzen schwarzen Stoppeln auf ihrem rasierten
Schädel. Die so genannten »normalen« Mädchen, mit denen sie zur Schule ging,
fanden sie seltsam, aber diese Beverly schien echt interessant zu sein,
interessanter als diese Trullas es je sein würden - na ja, jedenfalls hatte die
Mail so geklungen.
    In diesem Moment klingelte es
auch schon. Vanessa ging zum Fenster und schob den Vorhang zur Seite, der in
Wirklichkeit ein schwarzes Synthetikbettlaken war, das sie letztes Halloween
mit ihrer Schwester Ruby bei Kmart erstanden hatte. Unten auf der Straße
beschimpfte ein betrunkener Obdachloser geparkte Autos. Ein kleiner Junge mit
stacheligen grün gefärbten Haaren und nacktem Oberkörper bretterte auf einem
viel zu großen Mountainbike den Gehweg entlang. Der bröckelige Zementblock, der
die Stufe zur Haustür darstellte, lag verlassen da. Anscheinend war ihre
potenzielle Mitbewohnerin bereits auf dem Weg nach oben.
    Bitte sei normal, betete
Vanessa stumm. Nicht dass sie etwas für normale Mädchen übrig gehabt hätte.
Normale Mädchen, wie ihre Mitschülerinnen an der Constance- Billard-Schule,
hatten pink geglosste Lippen, trugen die immer gleichen hochhackigen Schuhe in
verschiedenen Ausführungen und diskutierten mit religiösem Eifer über
Banalitäten wie Strähnchen und Pediküren. Beverly hatte in ihrer Mail
geschrieben, sie würde am Pratt Institute Kunst studieren, also war sie schon
älter und wahrscheinlich eher alternativ drauf. Hoffentlich war sie wirklich
so cool, wie sich ihre Mail angehört hatte.
    Vanessa machte die Wohnungstür
auf, als Beverly gerade den oberen Treppenabsatz erreichte. Allerdings war Beverly
zu ihrer absoluten Überraschung keine Sie, sondern ein Er.
    Oops. Anscheinend hatte sie
vergessen, in ihrem Web- Posting zu sagen, dass sie eine Mitbewohnerin suchte.
    So, so, vergessen?
    »Du bist jetzt bestimmt
erstaunt, was?« Beverly streckte Vanessa zur Begrüßung die Hand hin. »Beverly
ist ein superaltmodischer Männername und jeder denkt dabei zuerst an eine Frau.
Daran bin ich schon gewöhnt.«
    Vanessa versuchte, sich ihre
Verblüffung nicht anmerken zu lassen, was ihr nicht sonderlich schwer fiel. Sie
übte in der Cafeteria der Constance-Billard-Schule tagtäglich ein
ausdrucksloses Maskengesicht, wenn sie mittags allein vor ihrem Teller saß und
das Geläster ihrer gestylten und gestörten Mitschülerinnen auszublenden
versuchte. Sie schob lässig eine Hand in die Potasche ihrer Jeans und führte
Beverly in die Wohnung. »Gerade hat sich online so eine total merkwürdige Frau
wegen dem Zimmer bei mir gemeldet, die Schlangentänze aufführt. Du hast keine
Schlangen, oder?«
    »Nö.« Beverly presste die
Handflächen wie zum Gebet aufeinander und sah sich in der spartanisch
eingerichteten Wohnung um. Die Wände waren weiß gestrichen, der Holzboden
nackt. Es gab eine winzige Küchenzeile und zwei Zimmer, das eine davon eine Art
Wohnzimmer mit Futon und Fernseher. Der einzige Schmuck waren die gerahmten
Standfotos aus den notorisch düsteren, unfrohen Filmen, die Vanessa drehte.
    »Interessante Arbeit. Von wem?«
Beverly zeigte auf die Schwarz-weiß-Fotografie einer Taube im Madison Square
Park, die an einem benutzten Kondom herumpickte.
    Vanessa war gerade in die
Betrachtung von Beverlys straffem Knackarsch vertieft gewesen. Sie blickte
hastig auf. »Von mir«, sagte sie heiser. »Das ist aus einem Film, den ich vor
kurzem gemacht hab.«
    Beverly presste weiter die
Hände aufeinander, nickte bedächtig und sah sich die anderen Fotos an. Dass er
sie im Gegensatz zu anderen Leuten nicht sofort als krass oder deprimierend bezeichnete, fand Vanessa
super. Allein der Satz »Interessante Arbeit. Von wem?« gab ihr das Gefühl, eine
ernst zu nehmende Künstlerin zu sein.
    »Möchtest du vielleicht ein
Bier?«, fragte sie. Seit ihrer vollkommen aus dem Ruder gelaufenen
Geburtstagsparty vor zwei Wochen türmten sich in ihrem Kühlschrank die
Bierflaschen, und sie war froh über jede Gelegenheit, ein paar davon
loszuwerden. »Tut mir Leid, außer Wasser kann ich dir ansonsten nicht viel
anbieten.«
    »Wasser ist total okay«, sagte
Beverly, und Vanessa fand ihn gleich noch viel sympathischer. Die
gleichaltrigen Jungs, die sie sonst so kannte, hätten sich begeistert auf das
Bier gestürzt und in drei Sekunden ein ganzes Sixpack vernichtet. Beverly
brauchte nur einen Schluck Wasser, um seinen Gaumen zu benetzen, und einen Ort,
an dem er wohnen konnte - zum

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