Sag niemals nie
sich das anhörte. Sie gab ihm ein Trinkgeld und
wartete, bis er die Tür hinter sich zugemacht hatte. Dann warf sie den
Bademantel ab, hechtete auf das extrabreite Doppelbett und griff nach der
Fernbedienung. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie ihren Lieblingssender
gefunden. Auf American Movie Classics kamen sämtliche ihrer Lieblingsfilme wie
zum Beispiel »Frühstück bei Tiffany« mit Audrey Hepburn oder »My Fair Lady«,
auch mit Audrey Hepburn.
Zu ihrer Enttäuschung lief
»Dirty Dancing«. Seit wann waren Filme aus den Achtzigerjahren denn Klassiker?,
fragte sie sich gereizt. Plötzlich fühlte sie sich alt. Andererseits war es
vielleicht doch der richtige Einstimmungs- film, wenn man bedachte, dass sie
gleich in ihrer luxuriösen Hotelsuite eine heiße Liebesnacht mit ihrem Lover
verbringen würde. Wo blieb Nate eigentlich? Mit dem Taxi fuhr man in sieben
Minuten von ihm zum Plaza. Sie hätte es an Nates Stelle sogar in fünf geschafft.
Blair drückte blind seine Nummer ins Handy ein, aber er ging nicht ran. Vielleicht
duschte er ja gerade und zog seine sexy schwarze Calvin-Klem-Boxershorts an, um
sich auf ihr Rendezvous vorzubereiten.
Vielleicht auch nicht.
Blair stand auf und dimmte das
Licht etwas. Dann strich sie Kaviar auf eine Toastecke und betrachtete sich in
dem großen vergoldeten Spiegel, während sie kaute. Auf dem Fernsehschirm
bemühte sich »Baby« gerade um einen unschuldigen Blick, nachdem sie mit Patrick
Swayze, dem Tanzlehrer des Ferienhotels, in dem sie mit ihren Eltern Urlaub
macht, eine leidenschaftliche Sexnacht verbracht hatte. Als Blair sah, wie
sauer Babys Vater war, dachte sie daran, was ihr eigener Vater wohl sagen
würde, wenn er wüsste, dass sie ins Hotel gezogen war, nur um besser mit Nate
allein sein zu können. Nicht dass ihr schwuler, auf einem französischen Chäteau
lebender, pastellfarbene Argyle-Karo-Socken und hellblaue Gucci-Sonnenbrillen
tragender Vater irgendeine Ähnlichkeit mit Babys konservativem Arztvater
gehabt hätte. Sie wählte noch einmal Nates Nummer, klatschte sich, als er
wieder nicht ranging, Kaviar auf eine weitere Toastecke und rief dann bei ihrem
Vater in Südfrankreich an, wo er lebte, seit er sich vor etwas über zwei
Jahren geoutet und von Blairs Mutter getrennt hatte.
»Du bist es, Bär... Alles okay?
Hast du von diesen Idioten aus Yale gehört? Hast du den Studienplatz?«, fragte
er verschlafen.
Blair stellte sich vor, wie er
in seinen königsblauen seidenen Boxershorts im Bett lag, während sein
Liebhaber (Frangois oder Eduard oder wie auch immer er hieß) sanft schnarchend
neben ihm schlummerte. In seinem ersten Leben war Harold Waldorf Partner in
einer renommierten Kanzlei für Wirtschaftsrecht gewesen und hatte mit seiner
Frau Eleanor, einer Dame der Gesellschaft, und seinen beiden wohlgeratenen
Kindern, Blair und Tyler, in einem Penthouse gewohnt. Jetzt kelterte er seinen
eigenen Wein aus den Trauben der Weinberge, die sein Chäteau umgaben, shoppte
in entzückenden französischen Boutiquen, deren Kundschaft ausschließlich aus
anderen braun gebrannten Schwulen bestand, und zog Bahnen in seinem Pool,
während seine Liebhaber ihm frische Badetücher und Cognac reichten.
Es war ein Luxusleben, ganz
recht.
»Rate mal, wo ich bin!«,
prahlte Blair im gleichen angeberischen Tonfall, in dem sie eben mit Serena
gesprochen hatte. Unterhaltungen mit ihrem Vater waren für sie aber auch genau
so, als würde sie mit einer ihrer Freundinnen reden. Es machte ihm noch nicht
einmal etwas aus, dass es in Frankreich zwei Uhr nachts war und sie ihn gerade
rüde geweckt hatte.
»In Paris?«, fragte er
hoffnungsvoll. »Ich schicke dir einen Wagen und du bist in einer Stunde hier.«
»Nein, Dad!«, stöhnte Blair,
obwohl sie gar nichts dagegen gehabt hätte, in Paris zu sein - solange sie
Nate und ihre Suite im Plaza dorthin mitnehmen könnte. »Ich bin im Plaza. Ich
wohne jetzt hier. In einer Suite.«
»Na, das sind ja tolle
Neuigkeiten!«, rief ihr Vater. »Zu Hause ist es wohl ein bisschen eng geworden,
seit das Baby da ist, was?«
Im Hintergrund hörte Blair ein
Gluckern, anscheinend goss er sich etwas zu trinken ein. Er schwärmte so von
seinem jüngsten Weißwein, dass er wahrscheinlich für Fälle wie diesen eigens
eine gekühlte Flasche neben dem Bett stehen hatte.
Im Dirty-Dancing-Land nahm
Babys zickige Schwester gerade an einer bescheuerten Talentshow teil und hatte
sich dafür ein viel zu knappes Bikinioberteil umgeschnallt. Blair
Weitere Kostenlose Bücher