Sag niemals nie
weißen Flurs
lag. Serena schloss die Tür, zog ihr Cherry- Ice-Lipgloss von M*A*C aus der
Hosentasche und strich sich etwas davon auf die Lippen. Aus der Ferne hörte sie
es an der Tür klingeln und dann Jubelrufe. Wahrscheinlich Kelly und Ping. Sie
drückte die Tür auf, eilte durch den Flur, schob sich an den Köchen vorbei, die
ihre asiatischen Delikatessen servierten, und stand kurz darauf wieder in der
schwülen Frühsommerhitze vor dem Haus.
War das dasselbe Mädchen, das
in ganz Frankreich dafür bekannt war, in Bars auf den Tischen zu tanzen? Das
Mädchen, das einst ein unaussprechliches Körperteil hatte fotografieren lassen,
dessen Bild anschließend auf Bussen und U-Bahnen durch die ganze Stadt gefahren
war? Dieses Mädchen verließ eine Party, bevor sie überhaupt angefangen hatte?
Wobei es natürlich auch völlig
unerheblich war, ob Serena blieb oder nicht - sie machte immer Schlagzeilen.
das
ungleiche paar
»Also, pass auf. In der oberen
Schublade liegen die ganzen Lotionen, Feuchtigkeitscremes, Make-ups, Peelings,
Masken und Abschminksachen. Duschgel und alles andere ist in der untersten
Schublade, da kommt man von der Wanne aus am besten dran. Und guck - den hab
ich uns auch besorgt, der ist aus ägyptischer Baumwolle. Weil der graue
Linoleumboden so versifft aussah.« Blair zeigte auf den apricotfarbenen
Teppich, den sie gerade in Vanessas Badezimmer ausgebreitet hatte.
Vanessa zog die Schubladen der
Kommode unter dem Waschbecken auf, deren weißer Lack an einigen Stellen schon
abgeplatzt war. Blair hatte in ihrem Ordnungswahn alles alphabetisch und nach
Farben geordnet. Nicht dass Vanessa irgendwelche Kosmetikprodukte besessen
hätte - die Sachen gehörten ausnahmslos Blair.
»Du kannst natürlich alles
mitbenutzen«, sagte Blair großzügig. Sie griff nach einem winzigen Porzellantiegel
mit La-Mer-Augencreme und tupfte sich etwas davon unter die Augen. »Das Zeug
ist einfach unglaublich«, schwärmte sie. »Das einzig Blöde ist der schlammige
Geruch.«
Sie tupfte auch etwas unter
Vanessas Augen. Eine Anwendung würde zwar nicht viel ausrichten, aber wenn sie
Vanessa dazu bringen könnte, die Creme einmal täglich zu benutzen, wären ihre
auberginenfarbenen Tränensäcke garantiert in einer Woche verschwunden. Außerdem
könnten sie bei Bloomingdale's in SoHo ein paar Jeans kaufen und Vanessa eine
nette Perücke besorgen!
Ja, hundertpro.
»Wo ist meine Schermaschine?«,
brummte Vanessa und drehte den Kopf weg wie ein unwilliges Kind, dem das Gesicht
gewaschen wird. »Ich muss mir den Kopf mindestens einmal pro Woche rasieren.«
»Schermaschine?«, wiederholte
Blair hilflos. Sie zeigte auf eine prall gefüllte Mülltüte, die vor dem
Badezimmer an der Tür lehnte. »Vielleicht da drin.« Sie nahm eine
Augenbrauenbürste aus der frisch eingeräumten Schublade und strich Vanessa
damit über den Stoppelschädel. »Hast du schon mal daran gedacht, sie wieder
wachsen...«
»Nein!« Vanessa stieß Blairs Hand weg.
Sie leerte die Mülltüte auf dem apricotfarbenen Teppich aus, stellte ihre
Haarschneidemaschine sicher und legte sie neben Blairs Wimpernzange in die
mittlere Schublade.
»Tut mir Leid«, entschuldigte
sich Blair zerknirscht. »Ich hätte dich frag en sollen, bevor ich etwas
wegwerfe.«
»Schon okay.« Vanessa hatte die
Wimpernzange aus der Schublade genommen und betrachtete sie neugierig. »Was ist
denn das für ein komisches Teil?«
»Ich zeig's dir!« Blair griff
eifrig nach der Zange und drückte Vanessa auf den Toilettensitz hinunter. »Lass
die Augen auf und schau nach oben. Und keine Angst, es tut nicht weh.« Sie
hielt die Zange in geringem Abstand vor Vanessas Wimpern und kniff prüfend die
Augen zusammen. Dann legte sie sie zur Seite. »Weißt du was?«, sagte sie zu
ihrer neuen Vermieterin. »Die brauchst du gar nicht.
Deine Wimpern sind schon total
dicht und schön gebogen.« Sie kniff wieder die Augen zusammen, als könnte sie
es nicht so ganz glauben. »Um genau zu sein... sie sind perfekt.«
Vanessa stand auf und
betrachtete ihre Wimpern im Spiegel. Sie fühlte sich extrem geschmeichelt, wenn
sie es natürlich auch niemals zugegeben hätte. »Können wir jetzt vielleicht
endlich mal was essen, verdammt? Wir haben den ganzen Tag mit Einrichten
vertrödelt.«
Blair war so beschäftigt
gewesen, dass sie ausnahmsweise mal keinen Gedanken an Essen verschwendet
hatte. Sie hatte den ganzen Nachmittag mit Auspacken und Ein- und Umräumen
verbracht und würde
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