Sag niemals nie
suchend um. „Soll das heißen, die gesamte Belegschaft von Arundel-Ducasse hat die Pest oder ein ähnlich schreckliches Schicksal dahingerafft? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man zu einer wichtigen Besichtigung wie dieser die Praktikantin schickt.“
Die junge Frau blieb hinter ihm stehen und atmete tief durch.
„Angelo Emiliani“, stellte sie fest.
Etwas in ihrer Stimme ließ ihn aufmerken. Er drehte sich um und betrachtete sie genauer.
Im ersten Moment hielt er die Regenbogenstreifen in ihrem schwarzen Haar für eine Täuschung des Lichts, das durch die Buntglaskuppel über ihnen hereinfiel. Dann bemerkte er jedoch, dass das seidige, zu einem Nackenknoten gewundene Haar der jungen Frau tatsächlich von hellroten Strähnen durchzogen war. Aufmerksam musterte er sie. Sein Blick wanderte über ihr zartes, herzförmiges Gesicht mit dem trotzig vorgeschobenen kleinen Kinn und den großen kajalbetonten Augen zu ihrem kurzen schwarzen Kleid. Auf einmal dämmerte es ihm. Natürlich. Das Protestcamp der Umweltschützer zwischen den Bäumen war ihm bereits während der Fahrt zum Château aufgefallen.
Nachsichtig lächelte er. „Richtig, Signorina. Ich bin Angelo Emiliani. Dürfte ich nun auch Ihren Namen erfahren?“
Sie zögerte kaum merklich, dann streckte sie ihm die schlanke Hand entgegen, wobei ihre silbernen Armreifen klirrten. Mit klarer, selbstbewusster Stimme antwortete sie: „Verzeihen Sie, Signor Emiliani, ich war nicht auf Sie vorbereitet. Ich bin Felicity aus dem Londoner Büro von Arundel-Ducasse“, log sie, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ich habe mit dem Marquess of Ifford wegen des Verkaufs seines Schlosses verhandelt. Zurzeit mache ich hier in Cannes Urlaub. Da dachte ich, ich sehe es mir mal selbst an.“
Sie hatte blitzschnell reagiert, das musste er ihr lassen. Sie war um Klassen besser als die üblichen ungepflegten, zotteligen Umweltschützer, die seine Baustellen belagerten und vor seinen Firmen in Rom und London demonstrierten.
„Aha.“ Er blickte auf den schmutzigen Kalksteinboden und unterdrückte ein Lächeln. Mit Umweltaktivisten fertig zu werden, war eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Diesmal würde ihm die Jagd besonders Spaß machen, weil das Wild so reizvoll war. Angelo konnte der Versuchung nicht widerstehen, so zu tun, als wäre er auf ihre Lüge hereingefallen. „Tja, Felicity, das freut mich.“ Er tat einen Schritt auf sie zu und beobachtete zufrieden, wie in ihren ungewöhnlich weit auseinanderstehenden Augen ein wachsamer Ausdruck erschien. „Es freut mich sogar sehr. Wie Sie sicher schon bemerkt haben, hat Ihre Kollegin aus dem Büro in Nizza mich versetzt. Leider haben sich unerfreuliche Entwicklungen ergeben. Daher liegt mir viel daran, das Geschäft noch heute unter Dach und Fach zu bringen.“
„Unerfreuliche Entwicklungen?“
Er seufzte. „Die nette kleine Campertruppe im Wald. Ich habe sie gesehen, als ich die Auffahrt hochkam, und je eher mein Name auf dem Kaufvertrag für diese Immobilie steht, desto schneller kann ich die Umweltschützer fortschicken, damit sie sich anderswo nützlich machen. Ich hasse es, wenn junge Leute ihre Zeit für eine verlorene Sache vergeuden.“
Unwillkürlich ballte Anna die Hände zu Fäusten. Früher hatte sie immer gedacht, Selbstbeherrschung wäre eine ihrer Stärken. Jetzt wusste sie, dass sie noch viel mehr Kontrolle über sich hatte, als sie geglaubt hatte. Anderenfalls hätte sie diesem arroganten, selbstverliebten Mann längst sein unanständig attraktives Gesicht zerkratzt.
Ohne sie aus den Augen zu lassen, kam er noch einen Schritt näher. „Heute ist Ihr Glückstag, Felicity. Sie werden diejenige sein, die mir das Anwesen zeigt. Und für mich steht jetzt schon fest, dass ich es kaufen werde. Sie können also sicher sein, dass Ihr Chef sehr zufrieden mit Ihnen sein wird.“
Alles Blut wich aus Annas Gesicht. Sie kam sich vor wie ein Verräter. Dieser Mann wollte ihr das geliebte Château wegnehmen. Und sie sollte mit ihm durch die vertrauten Räume laufen. Allein bei der Vorstellung wurde ihr schwindlig.
Immer noch sah er sie an, die kalten blauen Augen leicht zusammengekniffen.
„Das ist hoffentlich kein Problem, Signorina? Sie sind doch eine Angestellte der Maklerfirma, die diesen Besitz verkaufen soll … oder nicht?“
„Ja, natürlich. Wie gesagt, ich …“
„Gut. Und da Sie sagten, Sie seien in Ihrem Londoner Büro mit dem Verkauf beauftragt, kennen Sie sich hier doch sicher
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