Sag niemals nie
Kopfschmerzen waren verschwunden. Anna bebte am ganzen Körper, und zwei Tränen rannen ihr über die Wangen.
Unendlich sanft umfasste Angelo ihr Kinn und wischte die Tränen mit dem Daumen fort. Dann legte er ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie an seine Brust, wo ihre Tränen sein Hemd durchnässten.
Während er sie streichelte und zärtliche Worte an ihrem Haar flüsterte, hörte sie allmählich auf zu schluchzen. Angelo hätte nicht sagen können, wie lange er Anna so umfangen hielt. Inzwischen war über den Bäumen der Mond aufgegangen. Sie atmete ruhiger, tiefer und wurde schwer in seinen Armen. Lange blickte er reglos in die mondhelle Nacht und genoss seine neu gefundene Kraft.
Seit Lucia hatte er keinen Menschen mehr so in den Armen gehalten.
Sanft berührte er ihre Stirn mit den Lippen, dann zog er sie behutsam an sich und legte sich mit ihr auf die Kissen.
Während er einschlummerte, begann in seinem Herzen ein Hoffnungsschimmer zu glimmen.
„Angelo?“
Er öffnete die Augen. Um ihn her war es dunkel, es musste mitten in der Nacht sein. Vorsichtig setzte er sich auf und strich sich übers Gesicht.
„Ich bin hier. Geht es dir gut?“, fragte er besorgt. Er hatte von Lucia geträumt und war wie früher voller Panik erwacht.
„Ja, es geht mir sehr gut.“ Anna legte die Arme um ihn und schmiegte ihre Wange an seinen Rücken. Ihr warmer Atem drang durch sein dünnes Hemd.
Dann kniete sie sich vor ihn hin und blickte ihm eindringlich in die Augen. „Du hast im Schlaf gesprochen“, sagte sie leise. „Von Lucia.“
Angelo seufzte. „Ich träume oft von ihr.“
„Das weiß ich. Du hast es mir auf der Yacht erzählt. … dass du nie neben einer Frau einschläfst. Da dachte ich mir, dass sie der Grund dafür ist …“ Anna atmete tief ein. „Wenn du möchtest, kannst du im Gästezimmer schlafen.“
„Wäre dir das lieber?“
In der Dunkelheit sah und hörte er sekundenlang nichts, dann spürte er ihre Lippen auf seinen. „Nein. Bleibst du bei mir?“
Schon begann sie, sein Hemd aufzuknöpfen, doch er hielt ihre Hände fest.
„Das darf ich nicht, Anna. Du hast eine Gehirnerschütterung. So gewissenlos bin ich nicht, dich heute Nacht zu lieben.“
Seufzend zog sie ihn mit sich herab und legte sich auf den Rücken, im schwachen Licht konnte er die Umrisse ihrer Brüste ausmachen. Verlangen durchflutete ihn.
Er wurde auf eine harte Probe gestellt.
Verzweifelt sehnte er sich danach, sie zu berühren, blieb jedoch reglos liegen.
In den letzten zwölf Jahren hatte er sich nie Zurückhaltung auferlegt. Weder in geschäftlichen Belangen noch im Privatleben. Er hatte stets genommen, was sich ihm bot. Als die graue Morgendämmerung durch die Fenster hereinkroch, lächelte er triumphierend. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er es geschafft, seinem Verlangen zu widerstehen.
Das ist Liebe, dachte er.
13. KAPITEL
Als Angelo erwachte, war es heller Tag. Der Platz neben ihm im Bett war leer. Doch diesmal überkam ihn keine Panik. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, blieb er liegen und blickte zum ausgeblichenen Betthimmel auf. Endlich einmal hatte er tief und ausgiebig geschlafen.
Und er empfand Frieden mit sich selbst. Zum ersten Mal war er nicht gleich voller Pläne und Ziele für den vor ihm liegenden Tag. Kein hektischer Ehrgeiz, kein Verlangen danach, etwas zu erreichen drängte ihn, aufzustehen.
Wenn es Anna heute besser ginge, würde ihn heute nichts dazu bringen, das Bett zu verlassen …
Wie auf ein Stichwort öffnete sie die Tür und trat ein.
Angelo spürte, wie ihn ihr Anblick erregte. Die Jeans, in der er geschlafen hatte, wurde ihm zu eng. Auch das hatte er bisher versäumt. Seit er als Sechzehnjähriger seine Unschuld an die gelangweilte Gattin eines Unternehmers verloren hatte, hatte er mit seinen Partnerinnen ausnahmslos gekonnt, mühelos und ohne Gefühlsregung geschlafen. Doch dieses Herzklopfen, diese innere Erregung hatte er nie erlebt.
Anna trug Jeans und einen dicken weiten Pullover, in den Händen hielt sie zwei Becher mit dampfendem Kaffee.
„Ist es sehr unangemessen, einem Italiener Löskaffee anzubieten?“
„Dir würde sogar ein Eskimo verzeihen, wenn du ihm Eis anbietest.“ Angelo nahm ihr einen Becher ab und rückte zur Seite, um Anna Platz im Bett zu machen. „Wie fühlst du dich heute Morgen?“
Kokett lächelte sie ihn an. „Frustriert.“ Er trank einen Schluck Kaffee. „Im Ernst, Anna, was macht dein Kopf?“
Sie nahm ihm den Becher
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