Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
wirklich verdammt ernst.«
Ich konnte ihn beinahe vor mir sehen, wie er stirnrunzelnd ins Telefon starrte, sein Gesicht verzogen wie häufig, wenn er sich mit etwas konfrontiert sah, dass er nicht abwenden oder mit Humor zerstreuen konnte. »Was ist denn los, Andy?«
»Kannst du das Haus verlassen oder nicht?«
»Ich denke schon. Mein Dad ist hinüber und meiner Mom ist es scheißegal.«
»Dann in zehn Minuten im Park, in Ordnung?«
»Ich bin da.«
Und das war er. Der Park, besser bekannt als der Smyth Park – nach einem der Gründerväter der Stadt aus Kolonialzeiten benannt –, war eigentlich eher ein Feld als ein Park. Vor Jahren war es ein Platz gewesen, auf dem unabhängige kleine Jahrmärkte und Zirkusse auf ihren Tourneen durch Neuengland haltmachten und ihre Zelte aufschlugen, und auf dem die Stadt Baseballspiele der Unterliga abhielt. Doch im Laufe der Jahre hatten die Sportplätze der Schulen und die Stadien in der Umgebung den Smyth Park abgelöst und auf ein großes, oft leeres Feld mit einem verrottenden Baseballfeld mit Ballfänger an einem Ende und einem ebenso heruntergekommenen Getränkestand am anderen reduziert. Um die Leute, insbesondere die jungen, die ihn zeitweise als Fummelplatz benutzt hatten, davon abzuhalten, mit dem Auto in den Park zu fahren, waren die Schotterstraßen, die hinein- und hinausführten, abgesperrt und absichtlich ungepflastert und voller Schlaglöcher belassen worden. Bis auf gelegentliche Spaziergänger und Kinder, die ab und zu immer noch bei Tageslicht dort spielten, war der Smyth Park meist verlassen. Da die Stromversorgung des Parks seit ewigen Zeiten nicht mehr funktionierte, war es dort bei Nacht stockdunkel. Aber im Sommer kam die Dunkelheit langsam, und in Verbindung mit dem hellen Mondlicht konnte man den Ort gut überblicken.
Ich lehnte mich gegen den verrotteten Getränkestand, bis ich das Klappern von Boones Fahrrad hörte, als er über den holprigen Einfahrtsweg gerast kam. Als ich ihm zuwinkte, lenkte er sein Rad um eine Kurve und kam auf mich zu.
Ein paar Meter vor mir hielt er abrupt auf dem Rasen an, atemlos, weil er offenbar in halsbrecherischer Geschwindigkeit gekommen war. Sein Fahrrad sah unter seinem langen Körper winzig aus, richtig komisch.
»Andy?«, keuchte er, sprang vom Rad und ließ es einfach los. Es ratterte noch ein paar Meter weiter und fiel mit drehendem Hinterrad um. »Mann, gleich ist es total dunkel. Dieser Platz macht mir Gänsehaut, besonders bei Nacht. Warum mussten wir ausgerechnet hierher kommen?«
Das war eine berechtigte Frage. Es gab genügend andere, gemütlichere Plätze in der Stadt, an denen wir uns hätten treffen können und an denen wir genauso ungestört gewesen wären. Aber ich wollte die aufziehende Dunkelheit hier, die Ödnis und die Deckung, die sie bot. Ich wollte mich verstecken, bis das Tageslicht zurückkehrte und Klarheit, Vernunft und Verstand mit sich brachte.
»Ich dachte, hier ist sonst niemand, und wir können im Vertrauen reden.«
»Wir hätten direkt vor meinem verdammten Haus im Vertrauen reden können, Blödmann. Dafür hätte ich nicht herzukommen brauchen.«
Boone wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Er sah so unordentlich aus wie eh und je, mit einem weißen, vom Mittagessen bekleckerten T-Shirt, Shorts und Sandalen ohne Socken.
»Ich kann diesen Platz nicht ausstehen«, sagte er. An der Art, wie er durch das ersterbende Licht blinzelte, konnte ich erkennen, dass er versuchte, mein Gesicht deutlicher zu sehen, und dann an seinem Ausdruck, dass es ihm gelungen war. »Jesus, Andy, bist du okay?«
»Ich glaube nicht, Mann.« Mein innerer Aufruhr schnürte mir den Hals zu, als all die Ereignisse des Tages in einem einzigen, verzweifelten Schwall hervorbrachen. »Heute ist etwas Furchtbares passiert.«
7
Es dauerte fast eine volle Minute, bis meine Augen sich an die trübe Beleuchtung hinter den Vordertüren des Blue Slipper gewöhnt hatten. Ich stand in einem engen Vorraum. Schnee und Regenwasser tropften von meiner Kleidung auf einen billigen, zerschlissenen roten Läufer voller Brandlöcher. Irgendwo in der Nähe spielte Musik, das rhythmische Geräusch der Bässe ließ den Boden vibrieren. Rechts von mir stand ein Zigarettenautomat unter einem Poster, auf dem die Haupttänzerin dieser Woche abgebildet war, eine Platinblonde mit einer Figur wie im Comic.
Ich ignorierte den Zigarettenrauch und den Geruch von billigem Fusel und folgte dem Eingangskorridor zu
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