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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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Laken und Decken und Federbetten auf der Seite liege, kann ich nur raten, wo der Traum aufhört und die Wirklichkeit anfängt.
    Das Aufblitzen der Vision eines alten Stuhls und einer daran festgebundenen, verschwommenen Gestalt, Hände und Füße gefesselt, ein blutüberströmtes Gesicht, vor Angst geweitete Augen, ein mit Klebeband zugeklebter Mund und die Grunzlaute und das darunter erstickte Flehen drangen tief aus dem alten Verwalterhaus, besudelten den Schnee in Sprühnebeln und Spritzern wie ein purpurner Regen. Die fallenden Flocken überdeckten rasch die Vergangenheit, eine frische Decke, über einen verrottenden Kadaver gebreitet.
    Onkel starrte mich durch die Fenster an, eine Pistole in der Hand. In den Schatten hinter ihm war jemand anderes. Ich blinzelte in den Wald, wie um besser sehen zu können, wer es war, doch ich hatte diese Rätsel Jahre zuvor gelöst. Wie so viel von meinem Leben vor Onkels Tod war auch dies hier nur Illusion. Vielleicht war das, was hinter den dunklen Vorhängen meiner Erinnerung wirklich vor sich ging, etwas, das zu sehen ich mir selbst nicht gestattet hatte, bis ich mit Sicherheit wusste, dass er tot und begraben war, denn nur dann konnte ich auch nur ansatzweise irgendwie hoffen, einen Sinn darin zu erkennen.
    Boone torkelte irgendwo in der Nähe herum, zertrampelte mit schweren Füßen wütend den Schnee. »Es gibt keinen Grund, hier zu sein«, stieß er hervor, geschüttelt von Emotionen und bitterer Kälte, die seine Stimme brechen ließen. »Keinen Grund.«
    Ich schloss die Augen und legte den Kopf zurück, ließ die Schneeflocken auf mein Gesicht rieseln. Doch selbst in der Dunkelheit – oder vielleicht gerade in der Dunkelheit – teilten sich die Schatten hinter Onkel. Jetzt konnte ich Michael Ring sehen, sein langes Haar, das wie Fäden herabhing und in dem dunkelrote Klumpen klebten, die daran hafteten wie dicke Schweißtropfen, sein Gesicht, das eine Masse aus Blut und Tränen bildete, seine Nase, aus der zu gleichen Teilen Blut und Rotz quollen, als er durch die Nasenlöcher nach Luft rang, seine aufgeblähten Backen, der Mund mit Klebeband verschlossen, die Augen geschwollen und zerschlagen und voller Panik. Er gab ein seltsam heulendes Geräusch von sich, das von tief unten aus ihm hervorbrach, von einem dunklen, einsamen, urzeitlichen Ort. Sein Hemd war blutdurchtränkt und klebte an ihm wie eine zweite Haut. Auf der Vorderseite seiner Hosen befand sich ein dunkler, kreisförmiger Fleck, der eine Bahn an einem seiner Beine hinunter bis zu einer kleinen Pfütze unten am Boden zog.
    Als ich meine Augen öffnete, blendete mich das Licht vorübergehend, doch selbst durch das Aufblitzen konnte ich jetzt auch meine Mutter dort sehen; sie stand in der Nähe der Eingangstür des alten Hauses, zusammengekrümmt wie ein Kind, das aus einem Albtraum aufgeschreckt wurde und dem plötzlich bewusst wird, dass es nicht genug war, dem Schlaf zu entrinnen, weil die Ungeheuer ihr gefolgt waren.
    Martha sieht mich an, die Hände noch immer in den Ärmeln des Sweatshirts verborgen, aber übereinandergelegt. Ich weiß jetzt, dass sie das Klingeln des Telefons gehört hat, aber sie macht keine Anstalten, hinzugehen, und ich zunächst auch nicht.
    »Niemand, der um diese Zeit anruft, hat gute Nachrichten«, sagt sie bekümmert.
    Ich nicke und sehe sie hilfesuchend an, suche nach einem Ausweg.
    Aber es gibt keinen, und das wissen wir beide.
    Während Martha zusieht, hebe ich den Hörer ans Ohr und sage mit verschlafener Stimme: »Ja?«
    »Herr DeMarco?«, fragt eine Stimme.
    »Ja.«
    »Herr Andrew DeMarco?«
    »Ja.«
    Er stand neben dem Stuhl, die Pistole am Oberschenkel nach unten gerichtet. Meine Mutter, die noch immer an der Tür stand, schüttelte den Kopf, ihr Gesicht eine misslungene Maske harter Gleichgültigkeit. »Tu’s nicht«, keuchte sie, und ihre Stimme erhob sich und entschwebte über die Bäume.
    Onkel wirkte nicht mehr menschlich auf mich. Er sah aus, als sei er durch eine künstliche Version seiner selbst ersetzt worden – ein wächsernes Double vielleicht – kalt und leblos und ohne Freude oder Vernunft oder gar Bösartigkeit – unbeseelt – weder tot noch lebendig.
    »Wir können ihn nicht gehen lassen«, sagte er flach. »Jetzt nicht mehr.«
    »Paulie …«
    »Ich habe dir gesagt, dass du dir ganz sicher sein musst.« Seine Augen waren geöffnet, aber blicklos. »Warte draußen auf mich.«
    Der Junge auf dem Stuhl begann zu kämpfen, seine Schreie wurden durch

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