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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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oder später würdest du zurückkommen, aber … aber nicht so.«
    »Ich musste hier weg, Boone, aber ich wollte dich nie zurücklassen. Ich musste gehen, als ich die Chance hatte, und das habe ich getan.«
    »Ich hab dir nie einen Vorwurf dafür gemacht, dass du gegangen bist. Nur dafür, dass du nie zurückgekommen bist.« Er wischte sich über die Nase. »Wir waren beste Freunde.«
    Ich stand da und wusste beim besten Willen nicht, was ich erwidern sollte. Für Entschuldigungen war es reichlich spät.
    »Deshalb habe ich die Comics immer geliebt«, sagte er und rettete mich damit. »Die haben die Dinge so gelöst, wie es richtig war. Die Guten und die Bösen. Helden und Schurken, weißt du?«
    Ich nickte.
    »Aber dann wirst du älter und stellst fest, dass es so etwas wie Helden oder Schurken nicht gibt.« Damit wandte er den Blick zum Himmel. Es hatte aufgehört zu schneien. »Es gibt nur Menschen, die Heldentaten vollbringen, und Menschen, die scheußliche Dinge tun. Aber wie man es dreht und wendet, sie sind nach wie vor nur Menschen.«
    »Das sind wir alle, Boone, mehr ist keiner von uns je gewesen. Selbst Onkel nicht.«
    »Weißt du, dass ich sie immer noch habe?« Er zuckte traurig mit den Schultern. »Meine Comics, meine ich.«
    »Die müssen inzwischen ein Vermögen wert sein.«
    »Ich verkaufe jeden einzelnen von ihnen, bei der ersten Gelegenheit. Kaufe ein Flugticket und fliege nach Kalifornien. Fange von vorn an, weißt du? Mache es diesmal vielleicht richtig.«
    Ich lächelte ihn an. »Kann ich dich besuchen kommen?«
    »Ruf erst an.«
    Wir lachten beide – heftig – und obwohl es vielleicht völlig unangebracht war. Trotz des Bluts und der Geheimnisse, die nach wie vor präsent waren und es immer bleiben würden, war dieses Lachen genau das, was wir brauchten.
    Boone lächelte verschmitzt, wie er es Jahre zuvor so oft getan hatte; seine Art, mich wissen zu lassen, dass er zurechtkommen würde. Und ich glaubte ihm. Vielleicht, weil ich es mir so verzweifelt wünschte, vielleicht, weil er die Wahrheit sagte, ich weiß es nicht.
    »Komm«, sagte ich, »ich bringe dich zurück.«
    Ich erhob mich langsam aus dem Sessel. In Onkels Wohnung und auch überall sonst war es totenstill, als verharre die Welt unseretwegen und wartete auf ein Signal, bevor sie sich wieder in Gang setzte.
    Nachdem er seine Geschichte beendet hatte, blinzelte Onkel mich durch Schwaden von Zigarettenrauch an, und zum ersten Mal sah ich keine Weisheit mehr in seinen Augen, sondern Angst.
    »Großpapa war Maurer, oder?«, fragte ich.
    Nach allem, was er mir gerade erzählt hatte, schien ihn die Frage unvorbereitet zu treffen, doch er antwortete trotzdem. »Ja. Hat sich jahrelang den Arsch aufgerissen. Zu dumm, dass er gestorben ist, als du noch so klein warst, du hättest den alten Mann gemocht.«
    »Und Großmama hat nie gearbeitet?«
    »Sie hat deine Mutter und mich großgezogen. Sie hat den Haushalt geführt. Das ist Arbeit.«
    »Was haben ihre Eltern gemacht? Ich meine, womit haben sie ihr Geld verdient?«
    »Was für einen Unterschied macht das?«
    »Sag du es mir.«
    Seine Züge verdunkelten sich, als er schließlich verstand, worauf ich hinauswollte. Er war der Fremdkörper, niemand sonst. Er stammte nicht aus einer Familie von Kriminellen und war nicht damit aufgewachsen, ohne etwas anderes zu kennen. Er hatte sich sein Leben ausgesucht.
    Er wandte sich ab, ließ seine Zigarette in einen Aschenbecher auf seinem Nachttisch fallen. »Du wolltest die Wahrheit hören«, sagte er ruhig. »Jetzt weißt du sie, also lass mich nicht noch einmal fragen. Was hast du vor?«
    »Ich werde ein Mann sein«, antwortete ich. »Genau, wie es mir mein Onkel beigebracht hat.«

13
    Es war noch nicht ganz dunkel, aber es dämmerte, und die Nacht würde bald hereinbrechen.
    Boone und ich umarmten einander linkisch, wie die lange verlorenen Freunde, die wir gewesen waren und bald wieder sein würden. »Ich hab dir gesagt, ich werde euch nicht verpfeifen. Ich habe es nie getan, und ich werde es nicht tun«, sagte er. »Aber das spielt jetzt ohnehin alles keine Rolle mehr. Es ist alles vorbei. Stimmt’s, Andy? Stimmt’s?«
    Ich ließ ihn los und sah in sein trauriges Gesicht. »Stimmt.«
    »Pass auf dich auf, okay?«
    »Du auch. Meld dich mal.«
    Er nickte, wenn auch nur, um mich zu beruhigen. »Sicher, Mann. Auf jeden Fall.«
    Am Fuß der Treppe, die hinauf ins Haus führte, verließ ich Boone, einen einsamen und ungepflegten Mann, der mit wenig

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