Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
leise. »Machen Sie sich keine Sorgen deswegen«, sagte er zu mir. »Henry hat Probleme.« Er deutete auf sein Ohr und machte daneben eine kreisförmige Bewegung in der Luft.
Der alte Mann am Ende der Bar lachte meckernd, sagte aber nichts.
»Das, was er Ihnen über seine Frau und seinen besten Freund erzählt hat, ist passiert«, sagte der Barkeeper. »Aber das ist acht Jahre her. Er ist zusammengebrochen damals, hat seinen Job verloren, und es endete mit Arbeitsunfähigkeit wegen seiner emotionalen Probleme. Er wohnt in einem Zimmer bei der Hauptstraße und kommt jeden Tag hierher, säuft sich die Birne zu und erzählt jedem, der ihm zuhört, die gleiche Geschichte. Immer die gleiche. Jeden Tag. Ich habe sie hunderte Male gehört. Wenn er fertig ist und ich das Gefühl habe, dass er genug getrunken hat, rufe ich ihm ein Taxi und er geht zurück in sein Zimmer und schläft seinen Rausch aus. Am Tag darauf kommt er wieder, ob Regen oder Sonnenschein, ob Schneesturm oder Hagelschlag, und das Spiel fängt von vorne an.«
Der Barkeeper räumte das Durcheinander weg, das Henry zurückgelassen hatte, und putzte den Tresen mit seinem Geschirrtuch ab. »Also, wie ich Ihnen gesagt habe, machen Sie sich keine Sorgen deswegen.« Er gluckste hörbar. »Aber er bringt einen zum Nachdenken, meinen Sie nicht? Verrückter Bastard.«
»Er ist wie der Teufel«, sagte der alte Mann am anderen Ende der Bar unter krähenhaftem Gelächter und zeigte mit einem verkrümmten Finger auf mich. »Hören Sie nicht auf ihn, Henry könnte nicht ganz unrecht haben.«
Ich zwang mich zu einem Lächeln, sprang vom Barhocker und schlüpfte in die Telefonzelle in der Ecke. Ich blätterte durch das Telefonbuch, aber der Name, nach dem ich suchte, war nicht in der Liste, also warf ich einen Vierteldollar in das Telefon und versuchte es bei der Auskunft. Die Nummer war nicht eingetragen.
Ich legte auf, ging zurück in die Bar und bestellte noch einen Drink. Als der Barkeeper ihn vor mir abstellte, fragte ich: »Kennen Sie zufällig jemanden namens Joey Peluso?«
Er lächelte. »Ich kenne niemanden, okay, Kumpel?«
»Jemand von hier«, sagte ich. »Lebt hier in der Stadt. Kennen Sie ihn?«
»Wer will das wissen?«
Ich zog meine Brieftasche heraus, zahlte die Drinks, die ich bestellt hatte. Ich hatte einen Zwanziger und einen Fünfziger übrig. »Kennen Sie ihn oder nicht?«
Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf der Theke zwischen uns ab. »Ich habe von ihm gehört . Ich kenne ihn nicht persönlich oder so.«
»Wissen Sie, wo er wohnt?« Ich ließ den Zwanziger auf den Tresen fallen und schob ihn zu ihm hinüber.
»Wissen Sie, wo die Kreuzung South Street und Covington Avenue ist?«
Das wusste ich, denn ich war in der South Street aufgewachsen, und vom Ende der Straße, dort, wo sie auf die Covington Avenue traf, konnte man unser Haus und den Vorgarten sehen. »Ja.«
»Okay, wenn Sie geradeaus gehen, bleiben Sie auf der South Street, also tun Sie das nicht. Was Sie stattdessen tun, ist links in die Covington einbiegen. Sie folgen ihr etwa eine halbe Meile und kommen zu einer alten Autowerkstatt. Ye Ole Yankee Body Work . Die gehörte Joey Pelusos Vater. Sie ist jetzt geschlossen, der alte Herr ist vor ein paar Monaten gestorben, aber das Schild stand noch, als ich das letzte Mal vorbeigegangen bin. Wie auch immer, Joey wohnt in dem Haus, soweit ich weiß.«
Ich nickte und er steckte den Zwanziger ein.
»Noch einen Drink?«, fragte er heiter.
Doch ich war schon auf dem Weg zur Tür.
Warden schlief nicht mehr, als ich Onkels Wohnung an diesem Morgen verließ. Es war erwacht, während ich begann, wieder in meinen eigenen Sorgen und Ängsten zu ertrinken. Ich ging die Treppe hinunter, sprang auf mein Fahrrad und fuhr davon, ohne die geringste Vorstellung, wohin ich wollte. Weg. Nur weg. Die Luft war dick und meine Sicht verschwommen, wie eine Traumlandschaft, die in dicken Nebel gehüllt war, der ins Meer hinausrollte.
Meine nächste Erinnerung an diesen Morgen ist, dass ich mich vor einer kleinen Kirche wiederfand, die wir als Familie besucht hatten, bevor mein Vater verschwand. Saint Anne’s. Das Fahrrad noch zwischen den Beinen balancierend trat ich den Ständer herunter und stieg ab, wie hypnotisiert von der Fassade der Kirche: die hohen weißen Tore, Buntglas auf beiden Seiten, die wundervoll gepflegten Büsche, die zum Eingang führten, und die lebensgroße, porzellanweiße Statue der Maria, die das Jesuskind in den Armen
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