Saga von Dray Prescot 15 - Vallian-Zyklus 01 - Geheimnisvolles Scorpio
kommt, werden deine Frau und ihre älteste Tochter zurückkehren.«
»Und mehr willst du mir nicht sagen, Lady?«
»Mehr gibt es nicht zu sagen. Du kannst dich glücklich schätzen, überhaupt mit mir gesprochen zu haben, Kadar der Hammer. Der Herrscher sucht nach einem Schmied, der ihm die Schneide der Axt seines Henkers schärft.«
Eine klarere Warnung konnte ich mir nicht wünschen.
Das Rascheln von Stoff zeigte an, daß sie sich entfernte. Tausend Fragen gaukelten durch meinen schwerfälligen Kopf, doch ich brachte keine über die Lippen. Mädchen mit gespannten Bögen und blankgezogenen Rapiers führten mich ins Freie. Ein Kampf gegen sie hätte mir nichts genützt und schon gar nicht meine Delia näher zu mir gebracht.
Nur halb beruhigt durch das Zusammentreffen, das ich als Zurückweisung empfand, legte ich meine Waffen wieder an und wurde in die mondhelle Nacht entlassen. Ich sagte mir, daß Delia und meine beiden Töchter trotz allem wohl nicht in Lebensgefahr waren. Da ich auf keinen Fall an sie herankommen würde, konnte ich mich wohl nun weiter der Aufgabe widmen, die opazverfluchten Chyyanisten zu bekämpfen. Aber das war leichter gesagt als getan.
Ehe ich zu Natyzha Famphreon zurückkehrte und mir die Racter ein wenig näher ansah, mußte ich in den Eisernen Amboß zurück. Ich hatte keine Lust, die weitläufige Villa der Kovneva zu durchsuchen, solange ich nur mit einem Bambusstab bewaffnet war, auch wenn er eine scharfe Klinge enthielt.
»Bei Odifor!« fauchte ein Fristle, der eine gewaltige Last auf dem Kopf balancierte. Er torkelte gegen den Türrahmen eines Hauses mit vorspringendem Balkon. Ich erinnerte mich nicht, ihn angerempelt zu haben. »Sieh doch, wohin du trittst, du Apim-Rast!«
Ich wandte den Kopf ab und ging weiter. Es gab für mich an diesem Abend wichtigere Dinge, als eine dumme Auseinandersetzung mit einem katzenhaften Fristle. Ich sagte mir gerade, daß doch eigentlich ganz Vallia zu den Schwarzen Federn überlaufen konnte, solange Delia und den Mädchen nichts geschah. Aber das war nur eine halbe Wahrheit – als Geächteter durfte ich nicht immer den leichtesten Ausweg wählen.
Der Fristle fauchte ein Schimpfwort hinter mir her und zerrte an seinem Bündel; dabei riß eine Schnur, die Last platzte auf, und ein funkelnder Schauer kleiner Schmuckstücke und blitzender Kugeln und Ringe prasselte auf das Pflaster. Sofort kam es zu einem Menschenauflauf; praktisch aus dem Nichts erschien eine Flut von Kindern und stürzte sich auf die blitzenden Stücke. Mädchen und Jungen krabbelten durch die Gasse, rissen die rollenden Broschen und Ringe an sich, stopften sich die kleinen Schmuckfiguren in die Lendenschurze. Ich machte mir klar, daß ich auf meiner ziellosen Wanderung in die Gassen der Juweliere geraten war. Der Fristle versuchte seine Waren zu schützen, brüllte Drohungen, scheuchte die Kinder zurück. Doch ihm wurde ein Bein gestellt, und als er sich fluchend wieder aufrappelte, war die Gasse leer.
Er fand eine primitive kleine Statue Kyr Naths aus gegossenem Messing und schleuderte sie so heftig zu Boden, daß sie abprallte und einem lachenden Zuschauer ins Auge sprang. Das löste neuen Ärger aus. Ich schlenderte bewußt langsam weiter.
Und von solchen Kleinigkeiten hängt das Geschick ganzer Reiche ab.
Als letztes – das nahm ich jedenfalls an – hörte ich, wie ein dicker Apim mit einer Schürze losbrüllte: »Der Fristle hat das Zeug gestohlen! Dieb! Dieb!«
Der Fristle stieß einen Schrei aus und rannte los. Die Apims folgten ihm, und die Meute verschwand in einer Seitengasse. Ich schritt weiter und erreichte endlich den Pier der Silberschmiede an einem Kanal, der rosagolden im Mondlicht schimmerte. Ich sah den Fristle über eine Arkadenbrücke laufen. Er sah mich ebenfalls, war ich doch im Mondschein deutlich zu erkennen. Er würde mich wiedererkennen. Er verschwand in den Schatten. Ich schlug ihn mir aus dem Kopf – Diebe hatten es nicht besser verdient – und begab mich zum Eisernen Amboß im Viertel der Schmiede.
Meine Überraschung war groß, als ich feststellte, daß Khe-Hi-Bjanching, der ehrenwerte Zauberer aus Loh, in meinem Zimmer auf mich wartete. Als ich eintrat, zuckte der Stahl in meiner Hand an seine Kehle – aber dann erkannte ich ihn und zog die Spitze zurück.
»Du lebst gefährlich, San.«
Er lachte nervös und betastete seinen Hals.
»Schon gut, Turko.« Als er diese Worte ausgesprochen hatte, geriet der Vorhang am Fenster in
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