Saga von Dray Prescot 17 - Vallian-Zyklus 03 - Dayra von Scorpio
»Die Roten Bogenschützen. Sie haben eine schreckliche Niederlage erlitten. Woher hat wohl der Feind aus Hamal ihre Pläne gekannt?« Sie nickte, und ich streckte den Arm aus und umfaßte ihr Handgelenk. Ihre Haut war kalt wie Eis. »Ja, Dray Prescot! Ja! Ich habe alles verraten! Ich, die Königin von Lome, habe mit meinen okkulten Künsten den Hamalern alle Planungen des Herrschers weitergegeben, und so wurde die Armee vernichtet, und Blut wurde vergossen, und ...«
Ich versetzte ihr eine Ohrfeige.
Daraufhin beruhigte sie sich etwas, doch nur ein wenig, zu sehr erregte sie der Gedanke an die Dinge, die sie getan hatte. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ich forderte sie auf, weiterzusprechen.
»Wie du weißt, haben die Hamaler Pandahem erobert und meinen Vater getötet. In der Schlacht von Jholaix blieben aber die Vallianer sieghaft, und Pandahem warf das Joch von Hamal wieder ab. Dann aber zeigten sich neue Feinde, mächtigere Feinde.« Sie entzog sich meinem Griff, stand auf und begann hin und her zu gehen, die Hände mal verkrampft, mal erhoben, das liebliche Gesicht vor Entsetzen verzogen. »Ich muß dir alles sagen, denn du bist der einzige, bei dem der Herrscher noch Halt finden kann, und der Südwesten wird ihn unterstützen, und die Inseln, und dann können wir noch siegen gegen ...« Sie stockte, und ihr geschmeidiger Körper schien jeden Halt zu verlieren.
»Wer hat dich dazu veranlaßt, Vallia zu verraten?«
»Ich glaube, ich glaube, das weißt du sehr gut, Dray Prescot.«
Von ihren Gefühlen überwältigt, wandte sie sich ab, doch ich stützte sie nicht. Ein Schatten bewegte sich in der Türöffnung neben mir, und ich hielt dem Herrscher abweisend die Hand entgegen, eine befehlende Geste, die ihn normalerweise erzürnt hätte; doch er warf einen langen Blick auf Königin Lust und hörte ihre Worte und schwieg, ein Schatten unter Schatten in meinem Schlafgemach.
»Lome ist reich und mächtig geworden, seit du den Thron übernahmst«, sagte ich leise. »Ist das auch das Werk dessen, der dich in seinen Diensten weiß?«
Ihre Schultern zitterten. »Ja.« Das geflüsterte Wort war kaum zu verstehen.
»Und als Belohnung dafür hat er von dir verlangt, daß du nach Vallia reist, den Herrscher verführst, sein Vertrauen gewinnst – und ihn dann verrätst?«
»Ja.«
Der Herrscher machte eine Bewegung, doch ich packte seinen Unterarm und hielt ihn zurück. Ja, es war eine schwere Zeit für ihn. Als düsterer Umriß stand er in der Tür dicht neben mir, und gemeinsam hörten wir das niederschmetternde Geständnis der Königin.
Phu-Si-Yantong.
Sie hatte den Zauberer nicht persönlich kennengelernt. Aber seine Abgesandten und die Lupu-Projektion des Mannes hatten sie überzeugt; ihr Entsetzen spielte sich in den stockenden, stammelnden Worten. Yantong hatte sich nach der Auflösung der hamalischen Armeen in Pandahem umgetan und sich auf hinterlistige, raffinierte Weise als Machtfaktor etabliert. Seine Marionetten waren nun die Herrscher der Königreiche Pandahems.
»Schau her!« rief Königin Lust, und ein hysterisches Lachen kam über ihre Lippen. Sie zog eine schwarze Feder aus ihrem Ärmel. »Schau! Ich war drauf und dran, den Herrscher zum Großen Chyyan zu bekehren, aber du, Dray Prescot, hast diesen Plan zunichtegemacht. Jetzt schickt mein Herr seine Krieger.« Aus ihrem Ausschnitt zog sie einen verzierten Dolch in einer Scheide, von Juwelen überkrustet, eine Waffe, wie sie zu einer Königin paßte. Sie schwenkte die Waffe hin und her. »Diese Klinge ist vergiftet. Die winzigste Wunde, und der Herrscher ist tot. Ich soll ihn erdolchen, wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe – aber ich kann es nicht, kann es nicht! Ich liebe ihn!«
Vorsichtig griff ich quer über das Bett nach dem Rapier, das am Bettpfosten hing. Ich mußte damit rechnen, daß Phu-Si-Yantong versuchen würde, die Klinge in der Hand der schönen Frau zu beeinflussen.
»Und hat der Tod des Herrschers eine so große Bedeutung für die Pläne Phu-Si-Yantongs?« fragte ich energisch.
»Er muß sterben. Das hat der Herr befohlen, ihm muß ich gehorchen.«
»Dieser böse Mann ist dein Herr nicht mehr, Königin.«
Langsam wandte sie den Kopf und blickte mich an. Sie schien nicht mehr Herr ihrer Gedanken zu sein. »Nein. Er ist mein Herr ...«
»Das ist er nicht. Er ist ein gemeiner Ränkeschmied und Kleesh – ein verdammter Zauberer aus Loh. Aber er hat keine Macht mehr über dich.«
Der vergiftete Dolch funkelte
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