Saga von Dray Prescot 25 - Spikatur-Zyklus 03 - Die Legionen von Antares
seine Geschichte. Es war keine schöne Geschichte. Nulty war für die ganze Verwaltung des Tals verantwortlich und hatte sich nach einer gewissen Zeit nach jemandem umgeschaut, den er als seinen Stellvertreter einsetzen konnte. Da er keine Angehörigen hatte, war seine Wahl schließlich auf einen klugen, vielversprechenden Jungen gefallen; er entstammte der Verbindung einer entfernten Kusine mit einem tollkühnen Paktun. Wegen seines schwarzen Haars hieß der Junge Hardil der Mak. Er hatte vielversprechende Anlagen gezeigt, und Nulty hatte ihn geliebt. Aber schließlich war doch alles schiefgegangen, und Hardil hatte sich zum Amak ausgerufen, hatte sich eine Leibwache zugelegt, Nulty und andere meiner Getreuen verstoßen und sich daran gemacht, vor den Gerichten in der Hauptstadt Ruathytu den Titel auch auf rechtmäßigem Wege zu erkämpfen.
»Ich muß mir selbst die Schuld geben«, sagte ich. »Herrscher, die nicht dort sind, wo ihre Herrschaft gilt, sind eine Sünde; aber manchmal geht es eben nicht anders.«
»Du trägst doch keine Schuld, Notor, du nicht! Vielmehr ich! Ich hätte seinen Charakter erkennen müssen. Schlechtes Blut.«
»Deine Hände?«
Er war über das erste Staunen hinaus und antwortete mir ziemlich nüchtern: »Es gab keine Heilung. Sie verkrümmten sich immer mehr und bleiben nun in dieser Stellung. Zu nichts mehr zu gebrauchen. Eine Strafe des Himmels.«
»Unsinn! Wir werden dich heilen!«
Ich dachte dabei an den Heiligen Taufteich im fernen Aphrasöe, in der Schwingenden Stadt der Savanti. Ein Becher der milchigen Flüssigkeit würde Nulty heilen. Ich nahm mir fest vor, mit Nulty baldmöglich dorthin zu reisen.
»Ich habe nicht viel Zeit«, sagte ich. »Ich muß in Ruathytu etliches erledigen.«
»Dafür sorgen, daß Hardil als Amak abgesetzt wird.«
»Das auch. Die Gesetze sind streng. Der eigentliche Besitz wiegt viel, ist aber nicht allein entscheidend. Ich bin der Amak – dafür bist du mein Zeuge, Nulty –, und wenn dieser Hardil der Mak nicht ums Leben kommt, wird er dennoch verurteilt werden.«
»Ich glaube dir gern, daß du der echte Amak bist, Notor«, meldete sich eine Stimme aus der Ecke. »Aber Hardil hat die Macht in den Händen.«
»Still, Nath!« bellte Nulty. »Du kennst den Notor nicht. Er bringt die Sache in Ordnung. Ich danke allen Göttern, daß er zurückgekehrt ist.«
Das Unbehagen, das solche Überzeugungen in mir weckte, mußte unterdrückt werden. »Welche Unterstützung hat Hardil außer von seinen bezahlten Söldnern?« fragte ich. »Kannst du dich auf unsere Leute verlassen? Schildere mir die Lage genau, Nulty.«
Wenn ich ehrlich sein will, so hatte ich es damals so eilig, daß ich Gefahr lief, die aktuellen Risiken im Paline-Tal zu unterschätzen. Mir ging es darum, keine Zeit zu verlieren. Die Ereignisse zwangen mir aber schließlich die Erkenntnis auf, daß ich mich um das Volk kümmern mußte, das mir als seinem Amak Treue geschworen hatte, ehe an die Weiterreise zu denken war. Dieser Hardil, der den Weg so manches Thronräubers beschritt, hatte ein Schreckensregime errichtet, das seine Position festigen sollte. Wenn ich ihn stürzen wollte, mußte ich mit seinen Handlangern fertigwerden. Er hatte seinen Coup gelandet, als die Männer des Paline-Tals, die einem Regiment Luftkavallerie angehörten, eine schwere Niederlage eingesteckt hatten. In den Geschichtsbüchern tauchte dieser Kampf bestimmt nicht auf, doch hatte er dem Paline-Tal so manchen erfahrenen Kämpfer genommen.
Wie es in der Natur solcher Dinge liegt, waren die Überlebenden untereinander zerstritten, wie sie gegen Hardil vorgehen sollten. Hardil peitschte und tötete seine Gegner nach Belieben. Bis jetzt hatte er Nulty nicht umgebracht, was der zähe Mann einer nachklingenden Zuneigung des falschen Amak für seinen alten Ziehvater zuschrieb. Ich vermutete eher politische Gründe, sprach aber nicht darüber. Als Gefangener konnte Nulty nichts unternehmen, als Toter mochte er zum Märtyrer werden. Es mußte nicht so kommen, doch gab es vergleichbare Fälle.
»Aber, Herr, trotz meiner Ketten hätte ich allerlei tun können. Aber meine Hände und Hardils Undankbarkeit und ... irgend etwas starb in mir.«
»Wir holen jetzt alles nach, alter Freund, wir werden zusammen handeln.«
Der Mann im Stroh brummte ungläubig vor sich hin. Ich machte mich daran, die Funken hier in der Zelle zum Glimmen zu bringen. Dies schien mir ein guter Ort zu sein, mit meinen Aktionen zu beginnen, bei Krun,
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