Saga von Dray Prescot 27 - Pandahem-Zyklus 01 - Die Labyrinthe von Scorpio
mit gleichem Recht aber auch die Zelte meiner ungestümen Klansleute von Segesthes, die winddurchtoste Stadt Djanguraj in meinem Königreich Djanduin. Es gibt viele Stätten, an denen ich zu Hause bin, viele Orte, von denen ich bisher noch nicht berichtet habe. Die wahre Heimat eines Menschen aber ist etwas, das er im Kopf mit sich herumträgt. Er fühlt sich dort zu Hause, wo seine Gedanken Ruhe finden.
Wieder wurde geklopft, und die beiden Wächter öffneten die Tür und überprüften kurz den Eintretenden.
Protokollarische Probleme wurden hier ziemlich nonchalant gelöst, zumindest gegenüber dem Herrscher von Vallia.
Einer der Wächter, der alte zottelköpfige Rubin, der einen Krug Bier in einem Zug leeren konnte und seit langem in meinen Regimentern diente, öffnete den Mund und brüllte: »Majister! Andoth Hardle, der Spion, wünscht eine Audienz.«
Ich verkniff mir ein Lachen, ließ es aber zu – bei Krun! –, daß sich meine abweisende alte Fratze zu einem Ausdruck der Freude verzog. Guter alter Rubin! Spione mußten dem Herrscher angekündigt werden, es sei denn, sie waren enge Freunde.
»He«, bemerkte Seg, »wenn Rubin noch öfter so herumbrüllt, kann der Mann nicht mehr lange als Spion arbeiten.«
»Schick ihn rein, Rubin«, sagte ich.
»Quidang!«
Und so trottete mein neuester Spion in den Saal – Andoth Hardle.
Er trottete herein. Nun ja, er war klein und schmächtig und trug einen Kinnbart und war geschickt und unauffällig gekleidet. Vor allem mit dem Dolch konnte er gut umgehen. Unter seiner Tunika trug er ein Kettenhemd. Er verneigte sich.
»Majister.«
»Setz dich, Andoth, und nimm ein Glas. Was hast du für Neuigkeiten?«
»Die Frau mit dem zusammengerollten Haar ist aufgegriffen worden.«
»Was!« rief Seg. »So einfach war das?«
Andoth Hardle saß in dem Stuhl, der nicht neben meinem Schreibtisch stand. Vorsichtig füllte er Parclear in ein Glas, das auf einem Tischchen neben ihm stand. Er stellte den Krug fort und legte das schützende Tuch wieder darüber. Als er das Glas hob, funkelte der Parclear.
Mit Parclear prostet man sich normalerweise nicht zu.
»Sie wurde aufgegriffen, Kov Seg. Sie wurde in einer Gosse entdeckt, betrunken und nicht mehr ganz bei Sinnen.«
Seg und ich ahnten sofort, worauf er hinauswollte.
»Arme Seele«, sagte Seg leise.
Nedfar sah ebenfalls klar.
»Aber sie gehörte zu den Feinden und hätte uns rücksichtslos vernichtet.«
»Das stimmt.«
»Du wirst mit ihr sprechen, Majister?« Hardle trank einen Schluck, zog ein spitzenbesetztes Tuch aus dem Ärmel und wischte sich anmutig die Lippen.
»Ich schaue sie mir an, Andoth.«
Seg blickte zu mir herüber, und ich nickte. Natürlich.
Ich fuhr fort: »Andoth. Das ist eine gute Nachricht. Aber bevor ich sie besuche, sorg dafür, daß sie nüchtern wird und sich wäscht und notfalls neue Sachen bekommt.«
»Ich verstehe, Majister. Deine Befehle werden ausgeführt.«
»Hat sie einen Namen angegeben?«
Handle drehte den Kopf zur Seite. »Sie ist nicht die Lady Helvia, Majister. Jedenfalls gibt sie ihren Namen als Pancresta an.«
»Verstehe. Laß Hamdi den Yenakker kommen. Er soll sich die Frau gründlich anschauen, ohne daß sie ihn zu Gesicht bekommt. Ich ahne, daß wir viel von ihr lernen können.«
So wurde es arrangiert. Insgeheim aber fragte ich mich, wieviel wir jemals über Spikatur Jagdschwert erfahren würden.
3
Die aus dem nackten Gestein gehauenen Korridore wirkten grau und abweisend. Feuchtigkeit lief an den Wänden herunter. Der Fackelschein ließ Kristalle schimmern, die im Gestein eingebettet waren. Der Boden fühlte sich unangenehm glatt an. Wir befanden uns im Stockwerk der Verliese.
Pancresta hatte man allerdings in einem Raum untergebracht, der mit Teppichen und Wandbehängen, Tischen und Stühlen einigermaßen gemütlich eingerichtet war; außerdem vertrieb ein Feuerkessel Kälte und Feuchtigkeit. Ähnliche Zimmer waren in jedem Mittelklassehotel zu finden.
Bei unserem Eintritt erhob sie sich.
Das hochgerollte Haar war bestens frisiert. Sie trug eine lange blaue Robe, deren Saum pelzbesetzt war. Es mochte sich um ein billiges Fell handeln, doch sah es weich und warm aus. Ihr Gesicht war bleich.
Während die Kleidung meinen Erwartungen entsprach, führte ich die Bleichheit eher auf ihren natürlichen Teint zurück und sah darin keine Folge ihrer derzeitigen Lage. Ihr Gesicht war lang, schlicht und kräftig ausgeprägt, mit vorstehenden Wangenknochen und einem
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