Saga von Dray Prescot 27 - Pandahem-Zyklus 01 - Die Labyrinthe von Scorpio
Blick von ihr zur Prozession und zur Sänfte wandern und versuchte das Geschöpf im Innern auszumachen.
Ich erinnerte mich an die am Eingang zum Coup Blag eingebrannte Warnung. Aber er war tot! Er war von der Königin von Gramarye vernichtet worden. Er mußte ... er war tot, tot, tot!
»Du!« würgte ich. »Du bist tot!«
»Schweig still, Dray Prescot!« fauchte die Frau und dehnte meinen Namen bös in die Länge, und doch ... und doch schaute sie mich mit ihren abgrundtiefen grünen Augen an, und ich erschauderte.
»Mutter – wir haben gesiegt – worauf wartest du noch?«
Da erkannte ich die Wahrheit, oder glaubte sie zu erkennen – und ich erbebte vor dem neuen Bösen, das auf das prächtige und zugleich abschreckende Kregen losgelassen wurde.
Wieder versuchte ich an den Goldvorhängen vorbei ins Innere der Sänfte zu schauen. Mann oder Frau, Junge oder Mädchen? Wie sollte man die unheimliche Flüsterstimme identifizieren?
Im nächsten Augenblick entdeckte ich Pancresta inmitten des Gefolges hinter der Sänfte. Sie schritt nicht stolz aus, sondern wirkte bedrückt, resigniert. Ich erkannte, daß man uns getäuscht hatte. Spikatur Jagdschwert, so hatte man uns erzählt, war von einem neuen Anführer übernommen worden, einer Person, von der frische Impulse des Bösen ausgingen. Ich glaubte zu wissen, wer diese Person, dieser Teufel war; und zugleich wußte ich, daß ich keine Ahnung hatte.
Denn Phu-Si-Yantong war tot.
Er saß nicht in der Sänfte, die jener glich, in der ich ihn zuvor gesehen hatte. Er war ein mächtiger Zauberer aus Loh gewesen; trotzdem glaubte ich nicht, daß er aus dem Grab zurückkehren konnte.
Die Frau mußte mir meine Gedanken vom Gesicht abgelesen haben. Ich will ehrlich sein, bei Zair, ich weiß heute nicht mehr, was ich damals dachte, was ich mir in jenem Schreckensmoment vorstellte.
»Ja, Dray Prescot, ja. Du sitzt in der Falle. In der Sänfte, die meinem Zauberer gehörte, sitzt nun mein Kind. Du und deine üblen magischen Freunde haben meinen Zauberer getötet. Ich versuchte ihm zu helfen, aber vergeblich. Du mußt hier für vieles geradestehen, o ja, und doch, und doch ...«
»Mutter!« Das unheimliche Flüstern, das an den Vater erinnerte, klang nun schärfer. Noch immer konnte ich nicht ausmachen, ob das Wesen, das im Schutz der Vorhänge saß, Zauberer oder Hexe war. »Mutter! Jetzt ist der Augenblick gekommen. Wir haben das Spiel geschickt zu Ende gebracht, wir hatten Spaß daran. Mutter, jetzt ist der richtige Augenblick!«
Ja, die beiden hatten ihre Spielchen mit mir veranstaltet. Die Frau hatte mir bei unserer Begegnung kein Llahal entboten und sich nicht nach meinem Namen erkundigt, hatte sich trotz ihrer Rolle als Königin nicht nach dem Schicksal des Königs erkundigt. Sie hatte Bescheid gewußt. Sie hatte über diesen Ort von Anfang an gewußt, was es zu wissen gab, denn sie und ihr Zauberer Phu-Si-Yantong hatten ihn selbst geschaffen.
Kein Wunder, daß die magischen Möglichkeiten dieses Labyrinths mit solcher Leichtigkeit ausgeschöpft worden waren!
Ich mußte mich an die Tatsache halten, daß ich es hier nicht mit Yantong zu tun hatte. Das Kind in der Sänfte äffte lediglich seinen Vater nach. Wieder ergriff die Frau das Wort.
»Mein Name, Dray Prescot, ist Csitra. Merk ihn dir gut! Du bist mir eine Rache schuldig, wie sie jede Frau zu vollziehen wünscht. Trotzdem hätte ich dich verschont, das weißt du. Ich hätte dir Gnade gewährt, gegen den Wunsch meines Kindes, des Kindes von Phu-Si-Yantong. Nun wisse, daß ich, Csitra, eine Hexe aus Loh bin und dich der Verdammnis überantworte!«
20
Ich fand eine Stimme zum Sprechen. Ich weiß nicht, ob es die meine war oder die eines anderen, ob sie bereits aus dem Grab sprach oder bestimmt war von meiner Liebe zu Delia oder ob sie sich an einer nachklingenden Wirkung der Gegenmagie stärkte, die von befreundeten Zauberern aus Loh errichtet worden war. Ich wußte auch nicht, ob sie mir womöglich von den Herren der Sterne geschenkt wurde. Aber selbst damals schien mir diese letzte Möglichkeit so unwahrscheinlich, daß ich sie sofort aus meinen Gedanken verbannte.
Die Stimme, die aus meiner Kehle tönte, äußerte sich kühn.
»Einen Augenblick!« rief die Stimme. »Einen Moment – nicht so schnell! Du sagst, du hättest mich verschont, hättest mir Gnade gewährt – und dies nach allem, was angeblich deinem Zauberer angetan wurde. Nun ja, und was habe ich hier und jetzt gesagt oder getan, das
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