Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
durch das Tor flackerte und phantastische Schattenspiele veranstaltete, nicht von der Stelle. Er rückte nicht drohend gegen sie vor. Die fauchenden Werstings kamen nicht näher.
Delia atmete tief durch und spuckte aus. Der Schuppen stank wirklich unangenehm. Sie stand auf und rückte sich den Waffengurt zurecht. Mit blankgezogenem Rapier verließ sie vorsichtig die Schatten.
Getragen von einer Woge des Selbstbewußtseins, schaffte sie es bis zum Tor. Das orangerote und goldene flüssige Feuer der Fackeln zuckte über das Kopfsteinpflaster. Das verschwommene rosafarbene Licht der Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln wich zögernd vor dem grellen Feuerschein zurück.
Ein männlicher Fristlewächter hockte am Torbogen und schien sich unbehaglich zu fühlen. Wie die meisten Fristles, die von ihren Auftraggebern nicht mit Rüstungen und Waffen ausgestattet wurden, trug er ein metallbeschlagenes Lederwams. Die typische Fristlewaffe, ein Krummsäbel, bewegte sich, von nervöser Hand gezogen, in der Scheide auf und ab. Er schien jeden Augenblick die Flucht ergreifen zu wollen.
Stumm rückte Delia vor.
Das laute Treiben hinter dem Tor wurde merklich leiser. Einige Worte waren zu verstehen. Vielleicht handelte es sich um Schlüsselworte, vielleicht hatten sie auch nichts zu bedeuten. »Dekadent… bringt sie fort… Schrauben… falscher Weg…«
Delia marschierte weiter. Sie hielt den Kopf seitlich, damit die Fackeln dunkle Schatten über ihr Gesicht warfen. Das noch immer schmutzige Rapier wurde wieder in die Scheide gestoßen. Sie zwang sich dazu, die schwungvolle, übertriebene Gangart einer Jikai-Vuvushi anzunehmen. Ihre Waffen klirrten.
Der Fristle zuckte zusammen.
»Aus dem Weg, Mann!« fauchte Delia und stolzierte weiter.
Wortlos schlurfte der Fristle zur Seite, und diese Reaktion offenbarte klar die Hackordnung, die in dieser Festung herrschte und die auch in Nyleens Umgang mit ihrem Bruder zum Ausdruck kam. Der Wächter wartete, bis das Kampfmädchen vorbeimarschiert war, und nahm dann seinen Posten wieder ein. Sein Gesicht verriet, daß er jetzt am liebsten ganz woanders gewesen wäre.
Neben dem Lärm der Gruppe, die sich hinter der Mauer hin und her bewegte und zu der immer wieder neue Personen stießen, während andere abwanderten, waren aus der Küche ganz andersgeartete Geräusche zu hören. Dieses Geräuschkonzert schien sich aus folgenden Bestandteilen zusammenzusetzen: aus den Kellenhieben Nans des Busens, aus dem wirkungslosen Befehlsgeschrei Ornol des Braters, der sich vergeblich Gehör zu verschaffen suchte, und schließlich aus dem Geschrei des Dummen Nath, der darüber jammerte, daß jemand den Brunneneimer gestohlen hätte.
Die Ställe standen dermaßen voll, daß einige Totrixes und Freymuls im Freien angebunden waren. Den Tieren war das Lärmen gar nicht recht; sie schnaubten und tänzelten unruhig. Delia hatte es aus offenkundigen Gründen auf eine Zorca abgesehen, aber notfalls hätte sie sich auch mit einem Freymul, einer sogenannten Armeleute-Zorca, zufriedengegeben. Seit den Zeiten der Unruhe waren Satteltiere rar. Das lebhafte Treiben ringsum bot Delia einen gewissen Schutz. Der Mob, der den größten Krach machte, verschwand schließlich in der Festung, woraufhin sich das Lärmen in der Küche lauter ausmachte. Dann kam der Dumme Nath ins Freie gerannt, so schnell ihn die Füße trugen, verfolgt von Nan dem Busen mit ihrem größten Löffel, der sich hammerähnlich auf und nieder bewegte.
»Gib mir meinen Eimer wieder, Nath!«
»Nein! Brauche ihn für den Brunnen!«
»Ich werf dich in deinen Brunnen, mit dem Kopf zuerst!«
Delia huschte kurzentschlossen zur Seite, um aus dem Fackelschein zu kommen. Im Schutz der Schatten eilte sie außen um den Hof.
In den Ställen atmete sie den Geruch nach Stroh und Mist und Schweiß ein. Sie tätschelte eine Zorca, die ein prächtiges und gut proportioniertes Stirnhorn aufwies. Nicht alle erstklassigen Zorcas besitzen große Hörner, die für Fachleute allerdings ein untrügliches Anzeichen von Rasse sind. Delia streichelte das Tier und wollte sich eben auf den Rücken schwingen, ohne den Sattel aufzulegen, als sich ihr plötzlich ein dünnes brennendes Feuer um die Beine legte.
Sie stürzte zu Boden und wurde zur Tür gezerrt.
Sie versuchte sich herumzuwerfen und auf die Füße zu kommen, doch schon ringelte sich eine zweite Peitsche um ihre Beine und ließ sie wieder stürzen. Hilflos lag sie auf dem Boden und starrte zu Chica empor,
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