Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
Wandschlitzen verschwanden, so daß Delia nicht vorbei konnte, ohne sich in die Reichweite der Tiere zu begeben. Die Gebisse der Ungeheuer waren nicht abgeschliffen. Delia nahm den Terchik der Jikai-Vuvushi zur Hand, wog das kleine Messer in der Hand und schleuderte es los. Noch während der erste Wersting heulend die aus seinem Hals ragende Klinge abzuschaben versuchte, traf das lange schmale Rapier den Hals seines Artgenossen. Angewidert trat Delia zurück.
Mit der blutigen Klinge in der Hand erstieg sie die letzte Treppe und stieß oben die Tür auf.
Im schwachen Licht konnte sie außer einem vagen Lichtfleck an einer gegenüberliegenden Tür kaum etwas ausmachen. Es gab eine Bewegung, dann sagte eine zitternde Stimme: »Majestrix!«
»Still!« gab Delia zurück.
Eine Kette klirrte. Die Stimme sagte: »Ich würde dich begrüßen wie es sich geziemt, Majestrix, aber die Cramphs haben mich angekettet.«
Er folgte ihrer Anweisung und äußerte sich mit leiser Stimme. Offenbar kannte er sie. »Kov Vomanus?« fragte sie.
»Im inneren Zimmer, Majestrix. Ich fürchte, er ist dem Tode nahe.«
Sie trat ein, schleuderte einen Stuhl zur Seite und blickte sich um. Ihre Augen hatten sich inzwischen besser an die Dunkelheit gewöhnt. Der Mann lag tatsächlich in Ketten. Sein Strohbett schien verschmutzt zu sein. Brotreste in einer Holzschale sahen sehr alt aus. Das Haar stand ihm starr vom Kopf.
Die gegenüberliegende Tür lockte. Aber sie nahm sich die Zeit zu fragen: »Wer bist du?«
»Larghos Ventil, Majestrix. Ich diene dem Kov…«
»Ja. Ich will sehen, was ich für dich tun kann.«
Delia begab sich durch die andere Tür in das dahinterliegende Zimmer. Augenblicklich mußte sie einen Brechreiz bekämpfen und hob eine Hand an den Mund.
Das Licht aus der Schießscharte fiel auf das ausgemergelte Gesicht. Vomanus schien wirklich dem Tode nahe zu sein. Delia beherrschte sich mit eisernem Willen. Krankheit… Leiden… Seuchen! Wie sie all diese Dinge verabscheute!
»Delia?« Die bebende Stimme vermochte die schwüle Luft kaum zu regen. »Delia?«
»Ja, Vom. Ich bin es. Ich hole dich hier heraus.«
»Ja, aber… Nyleen…?«
»Mach dir keine Sorgen.«
Vomanus sah aus, als wäre er im Begriff, an Unterernährung zu sterben. So etwas sähe der finsteren, rachedürstenden Seele Nyleens ähnlich. Er versuchte sich aufzurichten, aber Delia drückte ihn nieder und kehrte ins Vorzimmer zurück.
»Larghos - die Schlüssel?«
»Die Wächterin hat sie, Majestrix - die mit den Werstings.«
»Ja. Und wenn dir dein Leben lieb ist, darfst du mich nicht als Majestrix ansprechen. Wenn du unbedingt einen Namen brauchst, nenn mich Shishu.«
»Jawohl, meine Dame. Jawohl, Shishu.«
Delia verließ die Räume und ging mit vorgestrecktem Rapier die Treppe herab, bereit, jeden aufzuspießen, der sich ihr in den Weg stellte. Die Wächterinnen schlummerten noch. Die Werstings lagen starr in ihrem Blut. Bei den Mädchen setzte sie noch etwas nach, um ganz sicherzugehen; dabei fragte sie sich, wann der Wach-Deldar eintreffen würde, um die Mädchen ablösen zu lassen. Schließlich nahm sie dem häßlicheren Mädchen den Schlüsselring ab und huschte wieder nach oben.
Sie war nur zwanzig Herzschläge lang fort gewesen, doch schon wollte Vomanus ungeduldig wissen, wo Delia steckte.
»Psst, Vom, ich bin ja da.« Sie warf Larghos Ventil die Schlüssel zu und beugte sich wieder über ihren Halbbruder.
»Nyleen«, sagte er. »Sie hat mich getäuscht. Ich hielt sie für eine…«
»Ja. Wo sind deine Sachen?« Dann schalt sie sich einen Dummkopf und machte sich selbst auf die Suche. Die Kleidung, prächtige Hochzeitsanzüge, waren in eine Truhe gestopft worden. Sie zerrte sie heraus, und schon gesellte sich Larghos zu ihr und half ihr, Vomanos anzuziehen. Er war bis auf die Knochen abgemagert.
»Nyleen ist eine böse Frau«, plapperte er. »Sie ist wahnsinnig, durch und durch makib. Sie will Herrscherin von Vallia werden.«
»Ja, ja, lieber Vomanus. Steck den Ärmel hier durch. Larghos! Binde die Schnüre zusammen! Schnell!«
»Ja, Shishu.«
»Sie will dich töten, Delia. Dich töten!«
»Ich weiß.«
»Sie schickte lächelnd die Hochzeitseinladungen aus und wartete auf dich, um dich zu töten - aber du bist nicht gekommen. Ich war froh darüber.«
»Wie ist es ihr gelungen, dich hierherzubringen?«
Er erschauderte.
»Fiacola der Blick… Zauberei!« Er schaute intensiv zu Delia auf und faßte mit dürrem Arm an ihre Tunika.
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