Sagan
An der sarkastisch hochgezogenen Braue konnte er ablesen, dass sie sein Ausweichen bemerkt hatte. »Warum ist eine so junge Frau allein hier draußen, abgeschieden vom Rest der Welt?«
»Ich habe meine Gründe«, entgegnete sie spitz. »Du solltest dich setzen. Du brauchst etwas zu essen, ein paar warme Sachen und Ruhe. Ich hole ein paar Decken. Du kannst duschen. Du hast Blut an deinen Sachen. Ich werde sie waschen.«
Sagan zuckte zusammen und blickte an sich hinunter, wobei er feststellte, dass ein Ärmel und die Tunika seines Priestergewands blutgetränkt waren von der Schnittwunde, die er abbekommen hatte.
Wo hatte er sich die nur zugezogen? Er erinnerte sich nur noch daran, dass er Daenaira, Magnus’ Dienerin und Schülerin des Sanktuariums, zu Hilfe geeilt war. Das Ordenshaus war auch der Ort für die Erziehung ihrer Kinder, die in die Pubertät kamen. Doch er konnte sich beim besten Willen nicht mehr an die Einzelheiten erinnern, außer daran, dass er mit
K’yan
Daenaira durch die Gänge gerannt war. Dann fiel ihm noch ein, dass er von zwei Schattenbewohnern zusammengeschlagen worden war, bevor man ihn gefesselt hatte.
Und jetzt war da Valera.
»Ich glaube, das könnte mir gefallen«, antwortete er aufrichtig. Er betastete sein raues Gesicht, und der Bartwuchs sagte ihm, dass es drei, vielleicht vier Tage her war, seit er zuletzt ein Rasiermesser gesehen hatte. Das sagte ihm ungefähr, wie weit er von Elk’s Lake entfernt war, je nachdem, ob sie zu Fuß oder mit einem Fahrzeug unterwegs gewesen waren. Sagan seufzte, als ihm klar wurde, dass das alles im Moment nicht wichtig war. Sie hatte recht, er war erschöpft und hungrig.
»Ich habe nichts anderes für dich zum Anziehen als vielleicht ein Handtuch, doch das Waschen wird nicht lange dauern.«
Sie drehte sich um und ging in den hinteren Teil des Hauses, und Sagan folgte ihr wachsam. Im Vorbeigehen warf er einen Blick in die Zimmer, um sich zu vergewissern, dass niemand sonst im Haus war. Alle Zimmer, vom Büro, das vollgestopft war mit Büchern, Papieren und einem Computer, bis zu dem aufgeräumten kleinen Schlafzimmer mit blau-weißem Gingan und einer bestickten Tagesdecke, hatten eins gemeinsam: In jedem war eine Katze. Drei insgesamt, einschließlich der schwarzen, die auf den Quilts schlief. Doch das waren nur die, die er sehen konnte. Die getigerte, die mitten auf Valeras Bett saß, schien ihnen auf ihrem Weg zum Bad spöttisch nachzuschauen.
Sagan wartete vor dem Bad, während er ihr dabei zusah, wie sie sich in dem kleinen, zweckdienlichen Raum bewegte, um ein paar Dinge für ihn bereitzustellen, einschließlich eines rosafarbenen Einmalrasierers. Während sie so umherging und sich immer heimischer zwischen ihren persönlichen Dingen bewegte, stellte er noch weitere Details an ihr fest. Sie war ziemlich blass; ihre Hände, Wangen und Lippen trugen Spuren des Lebens im Winter von Alaska. An diesen Stellen war die Haut ein wenig spröde und vom Wind verbrannt. Doch ihre Wangen bekamen dadurch Farbe, und er konnte sie betrachten, während sie sich mit dem kleinen Finger Balsam auf die Lippen tupfte. Sie hatte ein breites Lächeln, und ihre Lippen waren für ihr Gesicht ziemlich voll. Sagan musste rasch an dem Pfad vorbeieilen, auf den seine Fantasie ihn am liebsten geführt hätte, während er ihren sinnlichen Mund einen Augenblick zu lang betrachtete.
Valera wandte sich zu ihm um und lächelte ein wenig nervös, während sie die Hände aneinanderrieb. »Das heiße Wasser wird sehr heiß, pass also auf, dass du dich nicht …« Sie blickte hinab auf seine Hände. Mit einem mitfühlenden Stirnrunzeln nahm sie seine Hand in ihre sanften, kräftigen Finger. »Es tut mir so leid«, sagte sie, während sie die geröteten Stellen und die Blasen betrachtete. »Im Medizinschrank ist Wundsalbe. Bitte nimm etwas davon. Es tut mir leid, ich habe nur meine Seife und mein Shampoo, und sie sind, nun … ziemlich mädchenhaft. Blumen und Kräuter, weißt du?«
»Das ist schon in Ordnung. Valera, du bist sehr großzügig, und ich bin dir wirklich dankbar. Sobald ich wieder fit bin und reisen kann, werde ich deine Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch nehmen. Wenn man bedenkt, welcher Gefahr du wegen mir ausgesetzt warst …«
Sagan brach plötzlich ab, als ihm ein schrecklicher Gedanke kam. Was, wenn die Gefahr noch gar nicht vorüber war? Verdammt, wenn er sich nur daran erinnern könnte, was passiert war! Wenn er bei der Frau blieb, könnte er sie
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