Sagen aus Franken
sitzt draußen bei Wetzendorf in seinem Karlsberg und wartet, bis die Not des Reiches hin ruft. Jedes Jahr aber in der Walburgisnacht (1. Mai) macht er sich mit seinem ganzen Gefolge auf und zieht durch ein großes Tor, das sich knarrend vor ihm öffnet, durch den unterirdischen Gang hinüber zum Tiefen Brunnen unter der Burg. Dort tränkt er seine Rosse und kehrt dann zurück in seinen Saal, in dem er wartet, bis das neue Jahr vergangen ist. Da hören die Leute dann von droben ein Knarren und ein Stampfen von Pferdehufen und halblaute Stimmen aus dem Brunnen heraufklingen und dann sprechen sie zueinander: »Heute ist der alte Kaiser mit seinen Treuen wieder unterwegs.«
Notburga in Hochhhausen am Neckar
Im siebenten Jahrhundert herrschte im Neckartal der Frankenkönig Dagobert der Erste, der auf der Burg Hornberg residierte. Er hatte eine schöne Tochter namens Notburga. Damals waren die Bewohner dieser Gegend ebenso wie der König selbst noch Heiden, die fromme Notburga aber hatte sich zum Christentum bekehrt.
In jener Zeit führte der Wendenfürst Samo mehrmals Krieg gegen das Frankenreich. Er hatte von der Schönheit Notburgas gehört und war in Liebe zu ihr entbrannt, ja, er kam sogar nach Hornberg selbst und warb um die Hand der königlichen Jungfrau. Dagobert war bereit, dem Wendenfürsten seine Tochter zur Frau zu geben, schon um des lieben Friedens willen, den er dadurch für sein Land zu gewinnen hoffte. Aber Notburgas frommes Herz wollte von der Verbindung mit dem heidnischen Wenden nichts wissen. Dem lärmenden Fest, das zu ihrer Verlobung gefeiert wurde, blieb sie fern und verharrte indes im Gebet in ihrer Kammer. Doch aus Angst, zur TeiInahme am Fest schließlich gezwungen zu werden, floh sie plötzlich auf göttliche Weisung aus dem väterlichen Schloß und eilte an den Neckar.
Von Kindheit an hatte Notburga eine Hirschkuh gepflegt und behütet. Diese stand nun plötzlich vor der zagenden Jungfrau und schaute wie weisend nach der Felswand am anderen Neckarufer. Notburga setzte sich auf den Rücken des Tieres, das sogleich mit seiner Last ans andere Ufer des Flusses schwamm. Dort suchte die Jungfrau, der Hirschkuh folgend, Zuflucht in einer Höhle. Sie löschte ihren Durst an einer Quelle, und die Hirschkuh brachte ihr täglich das Essen, das sie in der Schloßküche zu Hornberg holte. So lebte Notburga längere Zeit in stiller Abgeschiedenheit.
In Hornberg wußte man nicht, wo sich des Königs Tochter aufhalte. Doch der Küchenmeister merkte mit der Zeit, daß Speisen fehlten, und suchte dem Dieb auf die Spur zu kommen. Schließlich entdeckte er, daß eine Hirschkuh Speisen holte und mit ihnen an den Neckar lief. Von nun an beobachtete er das Tier und sah, wie es mit den Speisen täglich über den Neckar schwamm und in einer Höhle am andern Ufer verschwand. Er meldete das sonderbare Verhalten der Hirschkuh dem König. Dieser begab sich mit dem Küchenmeister über den Fluß und fand seine Tochter in der Höhle. Gerührt durch den Anblick dieser dürftigen Behausung, in der sein Kind schon so lange wohnte, bat der König seine Tochter, mit ihm ins Schloß zurückzukommen. Notburga aber folgte dem Wunsche ihres Vaters nicht, sondern flehte ihn an, allein in der Höhle bleiben zu dürfen.
Über diese Widersetzlichkeit wurde König Dagobert zornig. Er packte die Prinzessin am Arm, um sie gewaltsam aus der Höhle zu ziehen. Aber, o Wunder, er hielt den Arm allein in seinen Händen, Notburga fiel, aus schwerer Wunde blutend, bewußtlos zu Boden. Ergrimmt verließ Dagobert die Höhle. Als Notburga wieder zu sich kam, sah sie eine Schlange neben sich in der Sonne ruhen, die ein Krönlein auf dem Kopf trug und ein Kräutlein im Munde hatte. Damit heilte das Mädchen die Wunde. Der König aber war durch das furchtbare Erlebnis so gebrochen, daß er sogleich aus seinem Schlosse fortzog.
Notburga lebte noch viele Jahre in ihrer Höhle, von den Umwohnern sehr verehrt. Sie bewog viele Leute, zum Christentum über zutreten. Als sie dann ihr Ende nahen fühlte, bat sie, man möge ihren Leichnam dereinst auf einen Wagen laden, diesen mit zwei weißen Stieren bespannen, die noch kein Joch getragen hätten, und die Tiere frei ziehen lassen. An der Stelle, wo sie halten würden, solle man sie begraben und über ihrem Grab ein Kirchlein erbauen. Bald darauf schlossen sich ihre Augen zur ewigen Ruhe.
Alle Glocken der Kirchen ringsum läuteten von selbst, als der Leichenzug sich in Bewegung setzte. Die Stiere
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