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Sagen aus Hessen

Sagen aus Hessen

Titel: Sagen aus Hessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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wieder weiter, bis Mitternacht herannahte; da wollten sie fort; nun suchte die eine in allen Ecken nach ihren Handschuhen. Als sie diese nirgends finden konnte, irrte sie mit ängstlicher Miene umher. Kaum aber hatte es während des Suchens Mitternacht geschlagen, liefen beide in größter Angst fort, eilten geradewegs nach dem See und stürzten sich in das Wasser. Am andern Morgen war der See blutrot, und diese Färbung wiederholte sich von da an jedes Jahr am gleichen Tag. An den zurückgebliebenen Handschuhen aber waren kleine Kronen zu sehen.

Die Kobolde im Steckelberg
    Auf dem Steckelberg unweit Schlüchtern, auf welchem im Jahr 1488 Ulrich von Hutten geboren wurde, lebte einst ein tapferer junger Ritter, der gern den Unglücklichen beistand und die Wahrheit überall in Schutz nahm. Ihm waren zahllose Weinfässer als Erbe zugefallen, und der Wein darin hatte die Kraft, den zu verjüngen, welcher ihn trank. Doch der Jüngling sprach: »Was nützt mir jetzt der Wein? Wenn ich dereinst alt bin, soll er mir munden und mir die Jugend wiederbringen. « Auch hatte er viel Geld, aber er sprach zu sich selbst: »Das Geld brauche ich jetzt nicht, es mag da liegen bis ich ein Weib habe.« So wohnten damals auch drei schöne Mädchen auf der Steckelburg, die liebten alle drei den Jüngling und sprachen: »Wenn er eine von uns erwählt, sollen auch die andern beiden bei ihm bleiben als Dienerinnen seines Hauses.« Doch der junge Ritter dachte: »Zum Heiraten habe ich noch lange Zeit.«
    Und er reiste tatendurstig durch allerlei Länder, aber Bösewichter verfolgten ihn und lauerten ihm auf, und er kam ums Leben, ehe er seine Heimat wiedersah. Da traten die Kobolde zusammen und sagten: »Den Wein und das Geld des Steckelbergs nehmen wir zu uns; niemand kann mehr das Geld recht anwenden.« Und die Kisten und Kasten voll Gold und Silber rollten hinab in die Tiefe des Steckelbergs, wo auch der Wein »in seiner eignen Haut« liegt, von einem schwarzen Hund mit glühenden Augen bewacht. – Oft kamen geldgierige Leute an den Berg und gruben heimlich nach; aber sie fanden nur Katzengold und Katzensilber.
    Die drei Mädchen starben vor Liebeskummer sehr jung. Treu Liebende können sie in hellen Mondnächten sehen, wie sie am Ufer einer Kinzigquelle, unten am Fuß des Steckelberges, auf und niederwandeln und unter leisem Gesang ihr Brautgewand weben.

Die Lahn hat gerufen
    Die Lahn und die Fulda fordern jedes Jahr ein Menschenopfer. Noch jedesmal, wenn jemand in der Lahn bei Gießen ertrunken ist, hat sie vorher laut gerufen, und das haben die Müller und Bleicher, die an dein Wasser sind, schon oft gehört. Es geschieht jedesmal mittags zwischen elf und zwölf Uhr. Da rauscht die Lahn auf, schlägt starke Wellen, und dann ruft es mit starkem Schrei aus dem so aufgeregten Wasser: »Die Zeit ist da! Die Stund' ist da! Wär' nur der Mensch da! « Nur mit Schaudern hört man dann erzählen: »Die Lahn hat gerufen; es ertrinkt bald wieder Jemand!« Und das ist auch allemal eingetroffen; es ist bald darauf wirklich jemand in der Lahn ertrunken. – Bei Neustadt am Heßler ruft oft die Lahn in langen, dumpfen und hohlen Tönen: »Ich will einen Menschen haben, einen Menschen will ich haben! « Dann gehen die Fische haufenweise ins Garn, denn es wird ihnen bange.

Die Moorjungfern auf der hohen Rhön
    Wo jetzt auf der Hohen Rhön das Schwarze Moor liegt, erhob sich vor undenklichen Zeiten eine schöne Stadt, die später in die Erde versank, weil die Einwohner ein gottloses, lasterhaftes Leben führten. An Stelle der Stadt breitete sich ein unergründlicher, tiefer schwarzer See aus, der aber nach und nach bis auf einige dunkle Löcher von einer dichten Moordecke überzogen wurde. In der Tiefe des Moores jedoch ist das Leben noch nicht erstorben.
    Wenn die Bewohner des versunkenen Ortes nach ihrer Kirche eilen und dort reuevoll um Vergebung beten, dann braust es im Moor gewaltig, und schwarzes, schlammiges Wasser gärt aus dem Boden. Manche, die sich am Rande des Moores niederlegten, um in die Stille der Landschaft zu horchen, haben bisweilen noch die Turmuhr schlagen und die Hähne aus der Tiefe krähen hören.
    Nur drei Jungfrauen aus dem versunkenen Ort durften manchmal aus der schlammigen Tiefe des Moores emporkommen. Sie wurden in der Umgegend die Moorjungfern genannt und erschienen regelmäßig beim Kirmestanz in Wüstensachsen. Als sie aber dort einmal über die Zeit zurückgehalten wurden, verließen sie traurig den Tanzplatz, und

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