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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Aber Klytaimnestra war bereits verheiratet. Sie war mit einem unansehnlichen, aber höflichen Mann verheiratet, und sie hatte ein Kind mit diesem unansehnlichen, aber höflichen Mann. Sie liebte ihren Mann, und der Mann liebte sie, und beide liebten sie ihr Kind, sie waren eine glückliche Familie. Es verlangte sie nicht danach, in die Geschichte einzugehen, sie wollten ein ruhiges, friedliches, langweiliges Leben führen. Aber das Schicksal sah anderes vor.
    Als Agamemnon Klytaimnestra zum ersten Mal sah, es war bei einem königlichen Empfang, saß sie im Thronsaal neben ihrem höflichen Mann und hielt ihr Knäblein im Arm. Agamemnon wollte sie haben. Sofort, auf der Stelle wollte er sie haben. Vor allen Anwesenden zog er das Schwert, schlug Klytaimnestra das Kind aus dem Arm, schlug es in zwei Teile und metzelte ihren Mann nieder. Nicht genug: In diesem Blutbad über den Leichen derer, die ihr Leben bedeutet hatten, vergewaltigte Agamemnon Klytaimnestra.
    Es läßt sich wohl denken, daß Klytaimnestra dieses Vieh niemals geliebt hat. Und bei allem, was weiter geschehen wird, sind wir versucht, dieser Frau einen Freibrief auszustellen, um so mehr, als sie in den Erzählungen so wenig Gerechtigkeit erfährt. Gustav Schwab führt in seinen Sagen des klassischen Altertums für die Bestialität des Agamemnon Gründe der Staatsräson an und verurteilt am Ende die arme, geschundene Frau.
    Klytaimnestra wurde Agamemnons Frau. Ihr Vater Tyndareos ließ sich für die Untat von Agamemnon bezahlen und versöhnte sich mit ihm.
    Agamemnon sagte: »Das war eine Aufwallung von Zorn, ich habe eben einen aufbrausenden Charakter.«
    Tyndareos sagte: »Die Sache ist vergessen«, und zu Klytaimnestra sagte er: »Bleibe du bei Agamemnon, er ist ein reicher Mann.« Sie hatte wenig Möglichkeiten, nicht zu gehorchen.
    Klytaimnestra gebar Agamemnon die Kinder Iphigenie, Elektra und Orest.
    Als dann der Trojanische Krieg begann und das Heer sich in Aulis sammelte, vertrieb sich Agamemnon die Zeit mit Jagen. Und erlegte eine heilige Hirschkuh.
    Artemis, die Göttin der Jagd, war darüber zornig, und sie bestrafte die Flotte der Griechen mit Windstille. Die Schiffe lagen im Hafen, die Helden mußten ihre Kriegslust zügeln.
    Als der Seher Kalchas befragt wurde, was denn zu tun sei, damit endlich günstiger Wind aufkomme, sagte er: »Wenn Agamemnon bereit ist, seine Tochter Iphigenie auf einem Altar der Artemis zu opfern, dann wird günstiger Wind kommen.«
    Agamemnon zögerte nicht einen Augenblick. Zu wichtig war es, nach Troja zu ziehen, um dort Köpfe einzuschlagen. Er zwang das Mädchen Iphigenie auf die Opferbank, und er hätte ihr eigenhändig die Kehle durchgeschnitten, wenn nicht Artemis im letzten Augenblick Mitleid gehabt hätte und Iphigenie vom Altar hinweghob. – Dieses Bild erinnert uns natürlich wieder an eine biblische Geschichte. Die Mythen der Welt, so scheint es, sind untergründig miteinander verstrickt. Es erinnert uns an die Geschichte von Abraham und Isaak. Auch Isaak ist im letzten Augenblick gerettet worden, ebenfalls von der gleichen Macht, die zuvor seine Tötung angeordnet hatte.
    Iphigenie wurde von der Göttin Artemis hochgehoben und wurde auf die Insel Tauris getragen. Der Wind setzte wieder ein, und die Männer konnten endlich nach Troja fahren. Klytaimnestras Haß aber wuchs. Sie sann auf Rache, blickte sich nach einem Verbündeten um.
    Während des Trojanischen Krieges kam es zu einem denkwürdigen Zwischenfall. Der Erfinder Palamedes, der auf der Seite der Griechen kämpfte, wurde in eine Intrige verwickelt, die Odysseus angezettelt hatte, es wurde ihm vorgeworfen, er habe an den Feind Geheimnisse verraten. Das war glatt gelogen, ich sage es gleich. Aber Agamemnon gab Befehl, den Palamedes zu steinigen. Und der Befehl wurde ausgeführt.
    Da kam des Palamedes Vater Nauplios ins Lager, forderte Aufklärung und Genugtuung. Aber er wurde nur verlacht und beschimpft. Da fluchte er auf das ganze Heer und sagte: »Ihr alle, die ihr dafür gewesen seid, daß mein Sohn Palamedes gesteinigt wird, ihr alle werdet euch noch wundern!«
    Und was war dieses Wunder? Nauplios war ein Mann, der über die Kunst des Überredens verfügte wie kein zweiter. Er machte sich auf den Weg, besuchte die Heimat eines jeden griechischen Helden, der in Troja kämpfte, und überredete ihre Frauen dazu, sich mit anderen Männern ins Bett zu legen. Das konnte er. Und das gelang ihm.
    So kam er auch an den Hof des Agamemnon in Mykene und

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