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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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Freuden!«
    Mit gefurchter Stirn trat Draupadi zurück und rief: »Schäme dich!«
    Und um die Stunde, von der sie die Heimkehr ihrer starken Gatten erhoffte, zu beflügeln, sprudelte sie Wort um Wort hervor und fesselte die Aufmerksamkeit des Entführers:
    »Ein Tor bist du, der den Zorn der starken Pandava weckt! Eh' könntest du einen wilden Eelefanten mit dem Hirtenstab lenken, eh' du den König der Gerechtigkeit bezwingst!
    Wie ein Kind an dem Schnurrbart eines schlafenden Tigers zupft, so spielst du mit dem Zorn des furchtbaren Bhima.
    Dem schlafenden Leuen stößt du den Fuß in die Flanke, wenn du den Gandivaspanner zum Kampf reizest.
    Besser wäre es fürwahr, dir zischten die Zungen zweier Nattern entgegen, als daß dich die schnellen Schwerter der Madrizwillinge umzucken, Wahnsinniger!
    Wie die Giftblume zerstäubt und den vernichtet, der sie bricht, so verdirbt die Gattin der Pandava den, der sie raubt!«
    »Der Schrecken über deine Worte, du Herrliche, besiegt nicht den Reiz deiner zornfunkelnden Augen!« rief Dschajadratha. »Besteige meinen Wagen, du Stolze, und teile mein Reich!«
    »Zurück!« schrie Draupadi. »Wie das Feuer in dürres Holz, wird sich Ardschuna in dein Heer fressen für diese frevlerischen Worte! Nie soll mein Denken einem andern gelten als meinem Gatten! O höre mich, Dhaumia!«
    Der Hauspriester trat über die Schwelle und mahnte den Leidenschaftlichen an Recht und Pflicht.
    Doch das war ein Tropfen in lohenden Brand: rasch sprang Dschajadratha vor und griff nach Draupadis Hand. Die Bedrohte stieß ihn zurück, daß er der Länge nach hinfiel.
    Da warfen die anderen sich über sie und schleppten die Schreiende nach Dschajadrathas Wagen. Eilig brach der Heerzug auf, doch der Hauspriester Dhaumia ging unter dem Trosse mit und wachte über die Ehre seiner Königin.
    Die Pandava hatten sich nach erfolgreicher Jagd in einer Waldlichtung getroffen. Judhischthira war von unheilverheißenden Ahnungen erfüllt, als er das ängstliche Laufen, Flattern und Kreischen des von Dschajadrathas Heerzug aufgescheuchten Wildes bemerkte. Er trieb die Brüder zur Eile, denn ihm bangte um Draupadi, das köstliche Gut der Verbannten. Rasch bestiegen sie die Wagen, die ihrer am Treffpunkt geharrt hatten, und eilten in schnellem Rosseslauf nach dem Waldhaus.
    Am Waldrand stürzte ihnen laut weinend die Dienerin der Gattin entgegen. Judhischthira sprang vom Wagen und rief:
    »Weh' uns, Weib! Sprich: welches Unheil hat die Königin betroffen? – Ist sie zum Himmel gegangen? – Wir werden ihr folgen!«
    Stockend und stammelnd erzählte die Getreue vom Raub ihrer Herrin und flehte die Starken an, den Frevler, dessen Spuren noch frisch seien, zu verfolgen, ehe tödliche Schmach die Stolze vernichte.
    »Genug!« rief Judhischthira, »aus unserem Weg, treue Dienerin! Die Räuber sollen die Pandava kennenlernen!«
    Und in schneller Fahrt folgten sie dem Heer, dessen Weg gebrochenes Gezweig und geknickte Blumen kennzeichneten.
    Bald sahen sie die Staubwolke, die das Fußvolk aufwirbelte. Dann trafen sie auf Dhaumia, der mitten im Troß dahinschritt und den Helden weit vorne den Wagen des Entführers zeigte.
    Wie Wölfe in eine Schafherde, fuhren die Pandava unter die Krieger Dschajadrathas. Der ließ, erschreckt ob des fürchterlichen Kampflärmes, seine Rosse anhalten und forderte Draupadi auf, ihm diese furchtbaren Streiter zu nennen.
    »Bangt dir vor ihnen, du Tor?« rief Draupadi stolz. »Du sollst sie kennenlernen, die deine Macht zertrümmern und dich heute noch zu meinem Sklaven machen werden.
    Sieh dort den Adlergesichtigen, dessen Banner über zwei heiligen Trommeln weht! Der ist der König des Rechtes, der gewährt auch dem flehenden Feinde noch Gnade: Judhischthira ist es, der Herr der Erde!
    Jener Riese an Leib, mit den drohend gewölbten Brauen, ist Bhima, der Furchtbare. Übermenschliche Taten hat er vollbracht, und ungern verschont er die Feinde.
    Dort der hochgewachsene Bogenschütze ist der Indrasproß Ardschuna. Stark wie Bhima und besonnen wie Judhischthira. Er führt die göttlichen Waffen und seine Muschel heult den Löwenruf zum Schrecken der Feinde.
    Jener Schöngestaltete, den die Kuntisöhne umschirmen, ist Nakula, der Liebling der Brüder! Und der Große, der ruhig, doch stark sein Schwert schwingt, ist Sahadewa, der Wackre.
    Sie alle sind meine Gatten! – Bangt dir, elender Tor? – Dein Heer wird zerschellen vor diesen Tapferen wie die Welle am Felsen. Danke den Göttern, wenn du

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