Sagen und Märchen Altindiens
das nackte Leben dir rettest!«
Die Pandava wüteten indessen unter dem Gefolge Dschajadrathas:
Allen voran brach Bhima mit seiner Keule sich Bahn zu dem Wagen des Räubers. Kotika deckte mit vielen Streitern seinen König. Bhima erschlug einen Elefanten und viele Fußsoldaten. In einem wahren Regen von Pfeilen und Speeren schritt er vorwärts, ohne zu zittern.
Ardschuna schoß seine Pfeile zu Hunderten unter die wilden Krieger der Berge, die Dschajadratha umringten. Judhischthira flog auf seinem Streitwagen durch die Reihen und tötete hundert der Besten.
Nakula fuhr hinter ihm, und sein Schwert warf die Köpfe der Feinde zu Boden, wie der Sämann den Samen. Sahadewa schoß die Elefantenstreiter von ihren luftigen Sitzen, wie Pfauen von den Bäumen.
Tapfer wehrten sich die Sindhu und Sauwira: Dem Judhischthira wurden die Pferde erschlagen, er mußte zu Sahadewa auf den Wagen steigen. Dem Nakula warf der starke Trigartafürst den Wagen um. Zu Fuß mußte der Schwertschwinger sich bis zu Bhima durchkämpfen.
Unter Ardschunas Pfeilen fielen die zwölf Sauwirafürsten, Kotika unter Bhimas Keule.
Bebend ließ Dschajadratha Draupadi frei und floh in den Wald. Dhaumia übergab die Gerettete ihrem Gatten Nakula, und der brachte sie auf Judhischthiras Wagen in Sicherheit.
Ardschuna hielt den unbändigen Bhima vom greulichen Morden in Dschajadrathas geschlagenem Heer zurück und nahm den Zornmütigen mit zur Verfolgung des flüchtigen Frauenräubers.
»Tötet ihn nicht!« rief Judhischthira den Enteilenden nach. »Schwer ist sein Frevel, doch gedenkt des Kummers Duchschalas und der guten Königin Gandhari!«
»Rächt meine Schmach an ihm!« schrie Draupadi, und schon zogen Ardschunas prächtige Schimmel den silberschelligen Wagen dahin.
Meile um Meile schwand unter den Hufen der windschnellen Gandharvahengste. Endlich sahen sie den Sindhukönig im goldglänzenden Wagen wie eine Sturmwolke dahinjagen.
Da spannte Ardschuna die Götterwaffe, und auf eine Meile tötete er Schuß um Schuß die Rosse des königlichen Wagens.
Als die Verfolger nahten, sprang Dschajadratha flüchtigen Fußes in den Wald.
»Feiger Krieger!« schrie Ardschuna, »hast du nur Mut vor Frauen?«
Bhima sprang vom Wagen und folgte dem Fliehenden in den Wald.
»Töte ihn nicht!« rief Ardschuna.
Bhima faßte den Laufenden beim Haar und riß ihn zornig zu Boden. Eingedenk der brüderlichen Mahnung, prügelte er den Feigen mit Faust und Fuß, bis er die Besinnung verlor. Dann schor er ihm mit einem scharfen Pfeile das Haar bis auf fünf Büschel. Als der Elende erwachte, schrie Bhima ihn an: »Sage, daß du ein elender Sklave bist, oder ich schlage dich tot!«
Stammelnd sprach der Bestrafte: »Ich bin ein Sklave!«
Gebunden schleifte Bhima den Besiegten zum Wagen. Dann jagten sie zurück vor Judhischthira.
»Laßt ihn frei!« sprach der großmütige Sohn des Rechtsgottes, als er den Jämmerling sah.
»Ho!« sprach Bhima, »Draupadi, die er so schändlich gequält, die soll ihm das Urteil sprechen, mein gefühlvoller Bruder! Draupadi, komm, sieh hier den geschorenen Sklaven. Fünf Büschel ließ ich ihm stehen, für jeden seiner Herren eines!«
Stolz sah Draupadi auf den Gedemütigten.
»Laß ihn frei!« sprach sie mit verächtlicher Handbewegung, und ging in das Haus. Bhirna löste die Fesseln des Besiegten. Der beugte sich vor dem edlen Judhischthira.
»Schmach dir, schändlicher Frauenräuber!« sprach der König. »Erkenne das Schlechte deiner Tat: die Verletzung von Recht und Sitte. Sammle die Trümmer deines Heeres und geh! Möge dein Sinn für Recht und Pflicht wachsen, Dschajadratha! Ziehe in Frieden!«
Beschämt, mit verhülltem Antlitz, schlich sich der Besiegte hinweg und zog nach einem Heiligtum des Schiwa. Dort büßte er seine Tat, und der Gereinigte flehte zu dem mächtigen Gott um Kraft zur Rache an seinen Besiegern.
Die zwölf Monde
Um diese Zeit waren zwölf Jahre der Verbannung vorüber, und es galt, den zweiten Teil des verspielten Gelübdes einzulösen: Zwölf Monde sollten die Pandava, unerkannt dienend, in einer Stadt verleben.
Sie entschlossen sich, an den Hof des Königs Virata von Matsya zu ziehen und verkleidet und unter fremden Namen bei ihm Dienste zu suchen.
Der getreue Dhaumia zog mit dem geheiligten Hausfeuer seines königlichen Herrn an den Hof Drupadas, des Vaters der Königin, um es den edlen Dienenden zu behüten, bis es wieder auf eigenem Herde flackern könnte.
Die wenigen Diener und die guten
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