Sagen und Märchen Altindiens
der Affe mit bekümmertem Blick, aber listigem Zwinkern. »Bitte, heb' doch meinen Schweif von der Erde und hilf mir auf die Beine!«
Da bückte sich der gutmütige Bhima, griff nach dem Schweif des Affen und – hob – zog – schob – , der Schweif war wie an den Boden geschmiedet. Kopfschüttelnd richtete der Starke sich auf, wischte den Schweiß von der Stirne und warf einen mißtrauischen Blick auf den unschuldig dreinschauenden Affen.
Dann begann er seine Arbeit aufs neue. Nachdem er sich weidlich geplagt und den Affenschwanz auch nicht fingerbreit vom Fleck gebracht hatte, sagte der Affe gar freundlich: »Nun laß es genug sein, Bruder Bhima! Hast du deine Kraft, so habe ich die meine, denn beide sind wir Söhne des Sturmgottes! Hanumat heiße ich und bin der König der Affen, von dem du wohl manches gehört hast. Ich erkannte dich gleich, als du wie der leibhaftige Sturmwind unter das Viehzeug fuhrest!«
Darauf schüttelten die Halbbrüder einander die Hand. Hanumat wies Bhima noch den Weg nach Kuberas Gärten, dann schieden sie als gute Freunde.
Bald darauf stand Bhima mitten in den duftenden Beeten des Göttergartens, an dem geheimnisvollen Lotusteich.
Ein riesenhafter dienender Geist, der als Gärtner hier waltete, schrie ihm zu, daß er den Herrn des Gartens um Blumen bitten solle, wenn er welche wolle, Bhima sagte, daß die Kriegersitte nicht bitten, sondern nehmen heiße. Es kam zum Streit, zum Kampf, und Bhima erschlug den groben Knecht, gerade in dem Augenblick, als der strahlende Gott Kubera den Garten betrat.
Beschämt stand der Eindringling da und erwartete die Strafe des Gottes für seine Raschheit.
Doch freundlich lächelte Kubera ihm zu und sprach: »Ich danke dir, starker Bhima! Du hast mich von einem schweren Fluch erlöst! Wisse: mein Diener Manimat, den du soeben erschlagen hast, hat einst auf einer Luftreise im Übermut dem großen Heiligen Agastya auf den Kopf gespuckt, und der Fluch des Propheten drückte mich schwer, bis zum Tode dieses leichtfertigen Frevlers!«
Da freute sich Bhima des Gottesdienstes, den seine raschen Fäuste geleistet hatten, neigte sich ehrerbietig vor Kubera und hat ihn um Nachricht über Ardschunas Verbleib.
Kubera riet, die Pandava sollten den Berg Gandhamadana besteigen. Dort werde Ardschuna in kurzer Zeit landen. Dann lud er Bhima und die Seinen ein, nach dem Kailasa zurückzukehren und sich's in seinen Gärten wohl sein zu lassen. Damit verschwand der Gott vor Bhimas Augen.
Glückselig raffte dieser einen Arm voll der köstlich duftenden Blüten zusammen, lief durch den Wald zu den Seinen und schüttelte die Blumen über das Lager der schlafenden Draupadi.
Am nächsten Morgen begannen die Pandava ihre Wanderung nach dem Gandhamadana und erreichten den Gipfel, als eben Matali mit den zehntausend Rossen in der Ferne verschwand, nachdem er den siegreichen Ardschuna gelandet hatte.
Wieder vereint, wanderten die Pandava nach dem Kailasa und verlebten vier Menschenjahre, wie eine einzige Nacht des Glückes, in den köstlichen Gärten des Schatzgottes.
Im elften Jahre ihrer Verbannung wanderten sie wieder nach dem Kamjakawald,
Dort besuchte sie Krischna, der tapfere Jadavafürst, und brachte der sorgenden Draupadi Kunde, daß es ihren Söhnen wohlergehe und daß die starken Knaben schon anfingen, mit den Waffen vertraut zu werden, Judhischthira und die Brüder ermahnte er, des kommenden Kampfes zu gedenken, und versprach, die Freunde und Verwandten der Pandava an die Bündnispflichten zu erinnern. Dann zog er wieder heim und überließ die Verbannten ihrem traurigen Waldleben.
Gar eng war die Hütte, in der der ›Herr der Erde‹ mit den Seinen hauste. Oft verglich die stolze Draupadi, zur Rache mahnend, das Leben in Mayas Palast, wo Tausende von Sklaven ihres Winkes geharrt hatten, mit dem Elend in der Einsiedelei, wo eine getreue Dienerin ihre einzige Hilfe im Haushalt war.
Bettelnde Brahmanen, die das ganze Land durchstreiften, brachten an Dhritaraschtras Hof die Nachricht, daß die Pandava wieder im Kamjakawalde seien, und erzählten auch von dem entbehrungsreichen Leben, das besonders die edle Draupadi bedrücke.
Da gedachte Dhritaraschtra mit Trauer im Herzen in freundlichen Worten der Verwandten und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die beiden Häuser, nach Ablauf der dreizehnjährigen Frist, versöhnt, vereint und glücklich die Erde beherrschen würden. Das war aber nicht nach dem Sinne Durjodhanas und seiner Getreuen gesprochen. Mit Sorge
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