Sagen und Märchen Altindiens
Brahmanen, welche treu bei ihrem verbannten König geblieben waren, fanden am Hofe Krischnas freundliche Aufnahme. Die fünf tapferen Brüder aber und ihre stolze Gattin zogen in die Knechtschaft.
Judhischthira fand zuerst Aufnahme in das Gefolge Viratas. Seine edle Erscheinung hatte des Königs Aufmerksamkeit erregt. Er gab sich als Fahrender aus, der besondere Kunde im Würfel- und Brettspiel besitze, und ward so dem Hofstaat zur Unterhaltung des Königs einverleibt.
Bhima verdingte sich aus Koch, und seine Angabe, daß er nebenbei auch ein unbezwinglicher Faustkämpfer sei, sicherte ihm die Gunst des königlichen Küchenmeisters.
Nakula fand als genauer Kenner der Rosse im Marstall des Königs Dienste und brachte es bald zum Marschalk.
Der versonnene Sahadewa nahm den Hirtenstab und trieb die Rinder des Königs auf die Weide.
Ardschuna gedachte des Fluches seiner schönen Ahnin Urwasi. Er suchte und fand Dienst im Frauenhaus des Königs als Tanzlehrer der schönen Prinzessin Uttaraa.
Draupadi irrte lange durch die Stadt bis sie endlich vor der Königin stand. Dieser freundlichen Herrin bot sie ihre Dienste als Kammerfrau an und legte Proben ihrer Geschicklichkeit ab. Die Königin freute sich sehr über die Gewandheit Draupadis, aber sie sprach ihre Sorge aus, daß die Schönheit der Zofe sie mancher Beunruhigung durch dreiste Werber aussetzen würde. Da vertraute die Schlaue der Königin an, daß fünf von den himmlischen Spielleuten ihr verlobt seien. Diese tapferen Gandharva würden sie vor der Zudringlichkeit jedes Mannes beschützen. So ward Draupadi die Zofe der Königin von Matsya.
Im vierten Monat ward zu Ehren des Brahma ein großes Fest in der Stadt gefeiert. Dabei erwarb sich Bhima die Gunst alles Volkes, als er den Sieger in allen Wettkämpfen, den starken Dschimuta, nach kurzem Faustkampf bezwang.
Doch seiner unbändigen Kraft harrte noch eine ernstere Aufgabe.
Kitschaka, der erste Feldherr des Königs, war in Liebe zur Draupadi entbrannt. Als Bruder der Königin hatte er oft Gelegenheit, sie zu sehen und ihr seine heißen Anträge zuzuflüstern. Vergebens wies Draupadi den Verliebten immer mit großer Kälte zurück; er ruhte nicht und begehrte die kalte Schönheit zum Weibe.
Als sein Drängen immer heftiger und schon eine Gefahr für das Geheimnis der Pandava wurde, gab Draupadi dem Ungestümen endlich ein Stelldichein im Tanzsaal der Königin. Dort erwartete Bhima den gefährlichen Toren und erwürgte ihn in der Stille der Nacht.
Draupadi sagte am nächsten Morgen, einer der sie beschützenden Gandharva habe den oft Gewarnten erwürgt. König und Königin unterwarfen sich diesem strengen Gericht der Himmlischen, aber der starke Anhang des kühnen Feldherrn murrte und forderte, daß die schöne Zofe mit dem Leichnam des Betörten verbrannt werde.
König und Königin mußten ihre Einwilligung geben, wenn sie es nicht, um der Unbekannten willen, zu blutigem Aufstand kommen lassen wollten.
Schon war der Scheiterhaufen auf dem Friedhof geschichtet, und die traurige Zeremonie sollte ihren Anfang nehmen, als der vermummte Bhima durch die Büsche brach, eine junge Palme aus dem Boden riß und damit unter die Trauergäste fuhr.
Über hundert hatte er schon erschlagen, ehe die Entsetzten mit dem Schreckensruf: der Gandharva! entflohen. Draupadi war gerettet, aber das Volk verlangte, daß der König die gefährliche Gandharvabraut aus dem Lande weise.
Da bat Draupadi nur noch um dreizehn Tage Frist, denn so nahe war einstweilen das Ende der Verbannung gerückt, und die gütige Königin gewährte diese Bitte.
Unterdessen war die Nachricht vom Tode Kitschakas durch alle Lande geeilt, und Suscharman, der König der Trigarta, den der tapfere Feldherr der Matsya einige Male aufs Haupt geschlagen hatte, glaubte die Zeit für seine Rache gekommen. Er sandte Boten zu seinem Freunde Durjodhana und lud das Kuruvolk zu einem Raubzug gegen die Matsya ein.
Kurz nach der Rettung Draupadis traf die Nachricht ein, daß Suscharman mit starkem Aufgebot in das Reich Viratas eingefallen sei und alle Herden der Bewohner wegtreiben lasse.
Rasch rüstete Virata sein Heer und zog gegen die räuberischen Nachbarn zu Felde. Judhischthira, Bhima, Nakula und Sahadewa zogen mit ihm.
Kaum hatten die Krieger die Stadt verlassen, kam schweißbedeckt ein Hirte und meldete, daß die Kuru im Norden unter ihrem König Durjodhana die Grenze überschritten hätten und unter der dortigen Hirtenbevölkerung wie Räuber
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