Sagen und Maerchen aus Sachsen und Thueringen (Erweiterte Ausgabe)
Morizkirche zu Halle steht das Bild des heiligen Mauritius, ihres Schutzherrn, in Stein gehauen. Es ist 1411 von Konrad von Eimbeck gearbeitet, und nach der Sitte der Zeit ist das Gewand des Heiligen mit Schellen besetzt. 1 Das Volk nennt ihn darum Schellenmoriz, und es knüpft folgende Sagen an ihn.
Moriz war der Erbauer der Morizkirche, und er war so jähzornig, daß er, wenn er auf den Bauplatz kam und ein Arbeiter eben ausruhte, ihn gleich todtschlug. Nachträglich bereute er den Mord stets, und um sich ferner vor solchem Unrecht zu schützen ließ er sich einen Rock mit Schellen machen und bat die Arbeiter, wenn sie an den Schellen hörten daß er komme und grade feierten, gleich an die Arbeit zu gehen, damit er keinen von ihnen zu strafen brauche.
In dem Dorfe Lettewitz bei Wettin heißt es, Schellenmoriz habe bei einem vornehmen Herrn, welcher das Dorf erbaute, als Aufseher gedient, und weil er die Arbeiter, wenn er sie müßig traf, immer gleich erschlug, habe ihm sein Herr die Schellen angehängt, so daß ihn die Arbeiter von fern kommen hörten und sich vorsehen konnten. 2
In Halle erzählt man außerdem daß zu derselben Zeit, als Schellenmoriz die Morizkirche aufführte, seine Schwester die Morizburg baute. Die Schwester war liebreich gegen Jedermann, und sie wettete mit ihm, wer früher mit dem Baue fertig sein und wer mit den Arbeitern besser auskommen werde, er mit seiner Strenge oder sie mit ihrer Milde. Wenn Schellenmoriz nun einen Arbeiter nicht bei der Arbeit fand, erschlug er ihn mit dem Stabe, den er noch im Bilde in der Hand hält. Seine Schwester ließ ihm deshalb, um die Arbeiter vor so übermäßiger Strafe zu sichern, den Schellenrock machen. Obwohl die Morizburg weit größer und prachtvoller war als die Kirche, wurde sie doch früher fertig. Als nun die Schwester den Schellenmoriz in der Burg umherführte und ihm Alles zeigte, wie es so herrlich eingerichtet war, erfaßte ihn ein solcher Neid, daß er sie aus einem Fenster der Burg in den Grund hinab stürzte. Dem Baumeister aber, welcher die Kirche gebaut hat, drehte er zur Strafe, daß sie nicht früh genug fertig wurde, den Hals um, und zum Andenken ist der Baumeister am Fußgestell der Bildsäule eingehauen; denn für ihn erklärt das Volk die liegende Gestalt unter Mauritius, in welcher der Künstler den Kaiser Maximinian dargestellt hat.
Fußnoten
1 Vergl. Dreyhaupts Chronik des Saalkreises 1,744. 1085.
2 Vergl. unten die Pfingstgebräuche.
65. Das Kloster zur güldenen Egge.
Dreyhaupt Chronik des Saalkreises 1,699.
Ein Bürger von Halle, Hazecho mit Namen, ein reicher und kluger Mann, war beim Erzbischof Adelgotus in Giebichenstein gewesen und ritt in der Dämmerung nach Hause. Und als er in die Gegend kam, wo nachmals das Kloster zum neuen Werk erbaut wurde, da sah er wie eine Egge, ganz glühend wie Feuer, sich sacht vom Himmel herab ließ. Er warf schnell seinen Handschuh dahin, ritt nach Giebichenstein zurück und erzählte dem Erzbischof was er gesehen hatte. Der Erzbischof saß auf und folgte ihm an den Platz, und als sie hinkamen, erhob sich die feurige Egge und stieg wieder gen Himmel. Da erbaute der Erzbischof ein Kloster an der Stelle, und dort, wo die glühende Egge hingesunken war, wurde der Altar errichtet. Die Schutzheiligen des Klosters waren Maria, Johannes und Alexander der Märtyrer, und man nannte es das Kloster zum neuen Werk: vom Volke aber wurde es das Kloster zur güldenen Egge oder Egde genannt.
66. Die reiche Glocke.
Dreyhaupt Chronik des Saalkreises 1,700.
In einem der Thürme des Klosters zum neuen Werk hing eine große Glocke, Susanna genannt, welche nach der zu Erfurt die größte in Deutschland war und so viel Einkommen wie ein Rittergut gehabt haben soll, weil ihr eine besondere Kraft den Teufel zu vertreiben, die Seelen aus dem Fegefeuer zu erlösen, die Gewitter zu zertheilen und andre Wunder zu thun zugeschrieben wurde. Später kam sie in den Dom zu Halle und hängt jetzt, doch mehrmals umgegossen, im magdeburger Dom.
67. Wartburg.
Binhard Newe vollkommene thüringische Chronica 1,86 f.
Im Jahre 1062 erbaute Graf Ludwig von Thüringen Wartburg, und das kam so. Als er einst am Enselberge jagte, traf er ein Stück Wildes, dem ritt er nach bis an die Hörsel bei Eisenach und von da auf den Berg, wo jetzt Wartburg liegt, zu warten wo das Wild aus dem Walde liefe. Da gefiel ihm die Gelegenheit des Berges also
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