Sag's Nicht Weiter, Liebling
Lesbe rede.
»Hör mal, können wir das Thema nicht einfach fallen lassen? Der ganze Tag war schon peinlich genug.«
»Oh. O Gott, ja«, sagt Lissy plötzlich reuig. »Tut mir Leid, Emma. Du musst dich ja wirklich …«
»… total und komplett verletzt und betrogen fühlen?« Ich versuche zu lächeln. »Das trifft es ganz gut.«
»Hat es denn im Büro irgendwer gesehen?«, fragt Lissy mitleidig.
»Ob es irgendwer im Büro gesehen hat?« Ich drehe mich um. »Lissy, alle haben es gesehen. Und alle wussten, dass es um mich ging. Und alle haben mich ausgelacht, und ich wollte mich am liebsten einfach zusammenrollen und sterben …«
»O Gott«, sagt Lissy bekümmert. »Echt?«
»Es war furchtbar. « Ich schließe die Augen, als mich wieder eine Welle der Schmach durchflutet. »Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nicht so geschämt. Ich habe mich noch nie so … exponiert gefühlt. Die ganze Welt weiß jetzt, dass ich Strings unbequem finde und gar nicht kickboxe und Dickens nicht gelesen habe.« Meine Stimme wird immer wackliger, und plötzlich muss ich ohne Vorwarnung laut schluchzen. »O Gott, Lissy. Du hattest Recht. Ich bin die letzte … Idiotin . Er hat mich nur benutzt, von Anfang an. Er hat sich nicht wirklich für mich interessiert. Ich war nur ein … Marktforschungsobjekt.«
»Das weißt du doch gar nicht!«, sagt sie bestürzt.
»Doch! Natürlich weiß ich das. Deswegen war er von mir fasziniert. Deswegen fand er alles so spannend, was ich gesagt habe. Nicht, weil er mich geliebt hat. Sondern weil er gemerkt hat, dass seine Zielkundin direkt neben ihm saß. Die ganz gewöhnliche Ottonormalverbraucherin, mit der er normalerweise nicht seine Zeit verschwenden würde.« Wieder muss ich schluchzen. »Ich meine, das hat er doch im Fernsehen so gesagt, oder? Dass ich nichts Besonderes bin.«
»Das ist doch Quatsch«, sagt Lissy entschlossen. »Du bist nicht nichts Besonderes!«
»Doch! Genau das bin ich. Ich bin ein ganz gewöhnliches Nichts. Und ich war so blöd, ich habe ihm alles geglaubt. Ich habe ernsthaft gedacht, Jack liebt mich. Also, vielleicht nicht wirklich lieben.« Ich merke, dass ich rot werde. »Aber … du weißt schon. Dass er für mich empfindet, was ich für ihn empfinde.«
»Ich weiß.« Lissy sieht aus, als würde sie auch gleich anfangen zu heulen. »Ich weiß doch, wie es dir ging.« Sie beugt sich zu mir und nimmt mich fest in den Arm.
Plötzlich rückt sie verlegen von mir ab. »Das ist dir doch nicht unangenehm, oder? Ich meine, es … macht dich nicht an oder so …«
»Lissy, zum letzten Mal, ich bin nicht lesbisch!«, schreie ich verärgert.
»Okay!«, sagt sie schnell. »Okay. Tut mir Leid.« Sie drückt mich noch einmal und steht dann auf. »Komm«, sagt sie. »Du brauchst was zu trinken.«
Wir gehen auf den winzigen, überwachsenen Balkon, den der Vermieter vor unserem Einzug als »geräumige Dachterrasse« beschrieben hatte, und trinken auf dem sonnigen Fleckchen den Schnaps, den Lissy letztes Jahr zollfrei gekauft hat. Jeder Schluck brennt unerträglich im Mund, schickt aber fünf Minuten später eine wunderbare, tröstliche Wärme durch meinen ganzen Körper.
»Ich hätte es wissen müssen«, sage ich und starre in mein Glas. »Ich hätte wissen müssen, dass so ein hochwichtiger Millionär sich nicht im Ernst für ein Mädchen wie mich interessiert.«
»Ich kann es gar nicht fassen«, sagt Lissy und seufzt zum tausendsten Mal. »Ich kann es nicht fassen, dass das alles nur Show
war. Es war doch so romantisch . Dass er es sich anders überlegt hat und nicht nach Amerika zurückgef logen ist … und das mit dem Bus … und mit dem pinkfarbenen Cocktail …«
»Das ist es ja.« Ich spüre schon wieder die Tränen aufsteigen und blinzle sie entschlossen weg. »Deswegen tut es ja so weh. Er kannte meine Wünsche genau. Ich habe ihm im Flieger erzählt, dass Connor mich langweilt. Er wusste, dass ich etwas Aufregendes und Faszinierendes und eine große Romanze wollte. Er hat mich einfach mit allem gefüttert, von dem er wusste, dass ich drauf stehe. Und ich habe ihm geglaubt - weil ich ihm glauben wollte.«
»Glaubst du echt, dass das alles so geplant war?« Lissy beißt sich auf die Lippen.
»Klar war das geplant«, sage ich unter Tränen. »Er ist mir absichtlich gefolgt, hat alles beobachtet, was ich getan habe, er wollte in mein Leben eindringen! Überleg doch mal, wie er hier in meinem Zimmer rumgeschnüffelt hat. Kein Wunder, dass er mir so
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