Sag's Nicht Weiter, Liebling
Mal richtig trifft, rollt mir eine Träne übers Gesicht, und dann noch eine.
Jack hat mich benutzt.
Deswegen ist er mit mir ausgegangen. Deswegen war er so beeindruckt von mir. Deswegen fand er alles so interessant, was ich gesagt habe. Deswegen war er von mir fasziniert.
Es war keine Liebe. Es war Business.
Plötzlich fange ich, ohne zu wollen, an zu schluchzen.
»Tut mir Leid«, schlucke ich. »Entschuldigung. Es ist nur … Es war so ein Schreck.«
»Macht doch nichts«, sagt Aidan mitleidig. »Das ist doch ganz normal.« Er schüttelt den Kopf. »Ich verstehe ja nicht viel vom Geschäft, aber es kommt mir so vor, als würden diese Typen es nicht ganz nach oben schaffen, ohne dabei über ein paar Leute zu trampeln. Um so erfolgreich zu sein, muss man über Leichen gehen.« Er macht eine Pause und sieht mich an, wie
ich einigermaßen erfolglos versuche, mit dem Weinen aufzuhören. »Emma, darf ich dir einen Rat geben?«
»Was?« Ich sehe auf und reibe mir die Augen.
»Reagier dich beim Kickboxen ab. Nutze deine Wut. Nutze den Schmerz.«
Ich starre ihn ungläubig an. Hat er nicht zugehört ?
»Aidan, ich kickboxe doch gar nicht!«, höre ich mich schrill keifen. »Ich kickboxe nicht, okay? Und das habe ich auch nie gemacht!«
»Nicht?« Er sieht verwirrt aus. »Aber du hast doch gesagt …«
»Das war gelogen!«
Es entsteht eine kleine Pause. »Na ja«, sagt Aidan schließlich. »Tja … macht ja nichts. Du könntest ja auch etwas weniger Heftiges ausprobieren. Tai Chi vielleicht …« Er sieht mich verunsichert an. »Sag mal, willst du was trinken? Etwas Beruhigendes? Ich könnte dir einen Mango-Banane machen mit ein paar Kamillenblüten und vielleicht ein bisschen Muskat.«
»Nein, danke.« Ich putze mir die Nase, atme tief durch und nehme dann meine Tasche. »Ich glaube, ich gehe einfach nach Hause.«
»Geht’s denn wieder?«
»Ja, wird schon gehen.« Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Alles okay.«
Aber das ist natürlich auch gelogen. Nichts ist okay. In der U-Bahn nach Hause laufen mir Tränen übers Gesicht, eine nach der anderen, und große Tropfen landen auf meiner Jeans. Die Leute glotzen mich an, aber das ist mir egal. Warum sollte es mich kümmern? Ich bin bereits so gedemütigt, wie es nur geht; da machen noch ein paar Leute mehr, die mich anstarren, auch nichts mehr.
Ich fühle mich so idiotisch. So idiotisch .
Natürlich waren wir nicht seelenverwandt. Natürlich hat er sich nicht ernsthaft für mich interessiert. Natürlich hat er mich nicht geliebt.
Erneut durchzuckt mich der Schmerz, und ich suche ein Taschentuch.
»Machen Sie sich nichts draus, Schätzchen!«, sagt eine stattliche Dame links neben mir in einem voluminösen, mit Ananas bedruckten Kleid. »Er ist es nicht wert! Fahren Sie erst mal schön nach Hause, waschen sich das Gesicht und trinken eine schöne Tasse Tee …«
»Woher wissen Sie denn, dass sie wegen einem Mann weint?«, mischt sich eine Frau im dunklen Kostüm aggressiv ein. »Was für eine klischeehafte, un-feministische Einstellung ist das denn? Sie kann genauso gut über irgendwas anderes weinen! Ein Musikstück, eine Gedichtzeile, den Hunger in der Welt, die politische Situation im Nahen Osten.« Sie sieht mich erwartungsvoll an.
»Ehrlich gesagt ist es ein Mann«, gebe ich zu.
Die U-Bahn hält, die Frau im dunklen Kostüm verdreht die Augen und steigt aus. Die Ananasdame verdreht ebenfalls die Augen.
»Der Hunger in der Welt!«, sagt sie verächtlich, und ich kann nicht anders, ich muss ein bisschen kichern. »Nehmen Sie es nicht so tragisch, Liebes.« Sie tätschelt mir tröstend die Schulter, als ich mir die Augen abtupfe. »Trinken Sie eine Tasse Tee, essen Sie ein paar schöne Schokoladenkekse, und halten Sie ein Schwätzchen mit Ihrer Mum. Sie haben doch noch eine Mutter, oder?«
»Ehrlich gesagt, wir sprechen im Moment nicht miteinander«, gestehe ich.
»Na ja, dann Ihr Vater?«
Schweigend schüttele ich den Kopf.
»Und … Ihre beste Freundin? Sie müssen doch eine beste Freundin haben!« Die Ananasdame lächelt mich tröstend an.
»Ja, ich habe eine beste Freundin«, ich schlucke. »Sie ist gerade im Fernsehen darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass ich geheime lesbische Fantasien über sie hatte.«
Die Ananasdame starrt mich einige Augenblicke lang wortlos an.
»Trinken Sie eine Tasse Tee«, sagt sie schließlich, etwas weniger überzeugt. »Und … viel Glück.«
Von der U-Bahn-Station nach Hause gehe ich sehr
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