Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag's Nicht Weiter, Liebling

Sag's Nicht Weiter, Liebling

Titel: Sag's Nicht Weiter, Liebling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Taxi.«
    Manchmal. Ungefähr einmal im Jahr.
    »Na ja. Was ist das hier eigentlich alles?«, frage ich, um das Thema zu wechseln, und Grandpa seufzt.
    »Deine Mutter hat letzte Woche den Dachboden entrümpelt. Und ich sortiere jetzt aus, was weg kann und was ich behalten will.«
    »Das ist doch eine gute Idee.« Ich betrachte den Müllhaufen auf dem Boden. »Und das hier wirfst du weg?«
    »Nein! Das behalte ich alles.« Er deckt schützend die Hand darüber.
    »Und wo ist der Haufen zum Wegwerfen?«
    Schweigen. Grandpa weicht meinem Blick aus.
    »Grandpa! Du musst doch irgendwas davon wegschmei- ßen!«, rufe ich und bemühe mich, nicht zu lachen. »Diese ganzen alten Zeitungsschnipsel brauchst du doch nicht mehr. Und was ist das hier?« Ich fische ein altes Jo-Jo zwischen den Zeitungsausschnitten heraus. »Das ist doch nun wirklich Müll.«
    »Jims Jo-Jo.« Grandpa greift nach dem Jo-Jo, sein Blick wird ganz weich. »Ach ja, der gute Jim.«
    »Wer ist Jim?«, frage ich ganz erstaunt. Von einem Jim habe ich noch nie gehört. »War er ein guter Freund von dir?«
    »Wir haben uns auf dem Festplatz kennen gelernt und den Nachmittag zusammen verbracht. Da war ich neun.« Grandpa spielt mit dem Jo-Jo herum.
    »Seid ihr Freunde geworden?«

    »Ich habe ihn nie wieder gesehen.« Er schüttelt gedankenverloren den Kopf. »Aber ich habe es nicht vergessen.«
    Das Problem bei Grandpa ist, er vergisst nie irgendwas.
    »Gut, und was ist mit den ganzen Karten?« Ich ziehe einen Stapel alte Weihnachtskarten heraus.
    »Karten schmeiße ich nie weg.« Grandpa sieht mich lange an. »Wenn du erst mal in meinem Alter bist; wenn die Leute, die du dein ganzes Leben lang kanntest und mochtest, einer nach dem anderen sterben … da hängt man an jedem Erinnerungsstück. Wie klein es auch sei.«
    »Das verstehe ich«, sage ich und bin gerührt. Ich schlage die nächstbeste Karte auf, und mein Gesichtsausdruck verändert sich. »Grandpa! Die ist von Smith’s Elektrogeschäft, 1965.«
    »Frank Smith war ein guter Mann …«, fängt Grandpa an.
    »Nein!« Bestimmt lege ich die Karte auf den Boden. »Die kommt weg. Genauso wenig brauchst du die von …« Ich öffne die nächste Karte. »Southwestern-Gaswerke. Und du brauchst auch keine zwanzig alten Punch -Hefte.« Ich lege sie auf den Stapel. »Und was ist das?« Ich greife wieder in den Karton und ziehe einen Umschlag voller Fotos heraus. »Ist da irgendwas drauf, was du wirklich …«
    Etwas trifft mich plötzlich ins Herz, und ich breche mitten im Satz ab.
    Ich betrachte ein Foto von mir und Dad und Mum auf einer Parkbank. Mum trägt ein geblümtes Kleid, Dad einen albernen Sonnenhut, und ich sitze auf seinem Schoß, ungefähr neun Jahre alt, und esse ein Eis. Wir sehen so glücklich zusammen aus.
    Wortlos nehme ich ein anderes Foto heraus. Ich habe Dads Hut auf und wir lachen uns über irgendwas kaputt. Nur wir drei.
    Nur wir. Bevor Kerry in unser Leben trat.
    Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem sie ankam.
Ein roter Koffer im Flur, eine neue Stimme in der Küche und ein ungewohnter Parfumduft in der Luft. Ich ging hinein, und da war sie, eine Fremde, und trank Tee. Sie trug Schuluniform, kam mir aber trotzdem vor wie eine Erwachsene. Sie hatte schon einen ziemlich großen Busen, trug goldene Ohrstecker und hatte Strähnchen im Haar. Und zum Abendbrot durfte sie ein Glas Wein trinken. Mum hat mir immer wieder gesagt, dass ich sehr nett zu ihr sein müsse, weil ihre Mutter gestorben war. Wir mussten alle besonders nett zu Kerry sein. Deswegen bekam sie auch mein Zimmer.
    Ich sehe die Fotos durch und versuche, den Kloß im Hals hinunterzuschlucken. Jetzt erinnere ich mich auch wieder, wo das war. Wir sind öfter in diesen Park gegangen, es gab dort Schaukeln und Rutschen. Aber Kerry war das zu langweilig, und ich wollte unbedingt so sein wie sie, also sagte ich, dass ich das auch langweilig fände, und wir sind nie wieder hingegangen.
    »Klopf, klopf!« Ich schrecke hoch, da steht Kerry an der Tür, mit dem Weinglas in der Hand. »Essen ist fertig!«
    »Danke«, sage ich. »Wir kommen sofort.«
    »Und, Gramps!« Kerry fuchtelt tadelnd mit dem Finger und zeigt auf die Kartons. »Bist du mit dem Kram immer noch nicht weiter?«
    »Das ist auch schwierig«, höre ich mich Grandpa verteidigen. »Da hängen eine Menge Erinnerungen dran. Die kann man nicht einfach wegwerfen.«
    »Wenn du meinst.« Kerry verdreht die Augen. »Wenn das meins wäre, würde ich einfach alles in die Tonne

Weitere Kostenlose Bücher