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Sag's Nicht Weiter, Liebling

Sag's Nicht Weiter, Liebling

Titel: Sag's Nicht Weiter, Liebling Kostenlos Bücher Online Lesen
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neulich abends anhatte.
    Jemimas blaue Augen fahren an Lissy und mir auf und ab wie ein Scanner.
    »Ich habe nämlich sehr schlanke Arme«, sagt sie warnend,
»und ich will nicht, dass die Ärmel ausleiern. Und glaubt bloß nicht, ich würde das nicht merken. Tschüss.«
    Sobald sie weg ist, sehen Lissy und ich uns an.
    »Scheiße«, sagt Lissy, »ich glaube, ich habe ihn im Büro liegen gelassen. Na ja, dann bringe ich ihn eben am Montag wieder mit.« Sie zuckt mit den Schultern und wendet sich wieder der Zeitschrift zu.
    Okay. Die Wahrheit ist, wir borgen beide gelegentlich Jemimas Kleider aus. Ohne zu fragen. Aber zu unserer Verteidigung muss ich sagen, dass sie so viele Klamotten hat, dass sie es meistens gar nicht merkt. Und außerdem, sagt Lissy, ist es ein Grundrecht, dass Mitbewohner sich untereinander Kleider leihen dürfen. Sie sagt, das sei praktisch Teil der ungeschriebenen britischen Verfassung.
    »Und überhaupt«, fügt Lissy hinzu, »ist sie mir das schuldig, für diesen Brief an die Stadt, den ich wegen der ganzen Knöllchen für sie geschrieben habe. Dafür hat sie sich nämlich noch nicht mal bedankt.« Sie sieht von einem Artikel über Nicole Kidman auf. »Was machst du denn heute Abend? Hast du Lust auf einen Film?«
    »Ich kann nicht«, sage ich widerwillig. »Ich muss zu Mums Geburtstagsessen.«
    »Ach, stimmt ja.« Sie zieht ein mitleidiges Gesicht. »Viel Spaß. Hoffentlich wird’s nicht zu schlimm.«
    Lissy ist der einzige Mensch auf der Welt, der weiß, wie ich mich fühle, wenn ich nach Hause fahre. Und selbst sie weiß nicht alles.

4
    Als ich im Zug sitze, bin ich entschlossen, dass es diesmal besser wird. Neulich hat Cindy Blaine in einer Sendung lang verschollene Töchter wieder mit ihren Müttern zusammengebracht, und es war so rührend, dass mir die Tränen kamen. Am Ende hat Cindy eine kleine Moralpredigt darüber gehalten, wie leicht man seine Familie für selbstverständlich hält, obwohl sie uns doch das Leben schenkt, und dass wir sie ehren und achten sollen. Da habe ich mich richtig ertappt gefühlt.
    Deswegen sind meine guten Vorsätze für heute:
    Ich werde nicht:
    Von meiner Familie genervt sein.
    Eifersüchtig auf Kerry sein oder mich von Nev ärgern lassen.
    Auf die Uhr gucken und überlegen, wann ich gehen kann.
    Ich werde:
    Gelassen und liebenswürdig bleiben und daran denken, dass wir alle durch gesegnete Bande im ewigen Kreislauf des Lebens miteinander verknüpft sind.
    (Das habe ich auch von Cindy Blaine.)
    Früher haben Mum und Dad in Twickenham gewohnt, da bin ich auch aufgewachsen. Aber jetzt sind sie aus London herausgezogen in ein Dorf in Hampshire. Ich komme um kurz nach zwölf dort an und finde Mum in der Küche, zusammen mit meiner Cousine Kerry. Sie und ihr Mann Nev sind auch aufs Land gezogen, in ein Dorf nur fünf Minuten von Mum und Dad entfernt, deswegen sehen sie sich ständig.
    Ich spüre den gewohnten Stich, als ich die beiden Seite an Seite am Herd stehen sehe. Sie wirken eher wie Mutter und Tochter als wie Tante und Nichte. Sie tragen den gleichen fransigen Kurzhaarschnitt - wobei Kerrys Strähnchen etwas
kräftiger sind -, sie tragen beide bunte Tops, die viel gebräuntes Dekolleté zeigen, und sie lachen beide. Auf der Arbeitsplatte steht eine halb leere Flasche Weißwein.
    »Herzlichen Glückwunsch!« Ich umarme Mum. Auf dem Küchentisch entdecke ich ein Geschenkpäckchen und bin freudig erregt. Ich habe das allerbeste Geburtstagsgeschenk für Mum. Am liebsten würde ich es ihr gleich geben!
    »Hal lohoo !«, sagt Kerry und dreht sich um, in einer Schürze. Ihre blauen Augen sind dick geschminkt, und um den Hals trägt sie ein Kreuz mit Diamanten, das ich noch nie gesehen habe. Jedes Mal, wenn ich Kerry sehe, trägt sie neuen Schmuck. »Wie schön, dich zu sehen, Emma! Du bist viel zu selten hier. Oder, Tante Rachel?«
    »Allerdings«, sagt Mum und drückt mich.
    »Soll ich dir den Mantel abnehmen?«, fragt Kerry, als ich den Sekt, den ich mitgebracht habe, in den Kühlschrank stelle. »Und möchtest du etwas trinken?«
    So spricht Kerry immer mit mir. Als wäre ich ein Gast.
    Aber egal. Das wird mir heute nicht auf den Keks gehen. Gesegnete Bande im ewigen Kreislauf des Lebens.
    »Schon okay«, sage ich und bemühe mich, nett zu klingen. »Ich nehme mir selbst etwas.« Ich öffne den Schrank, in dem die Gläser stehen, und finde dort Dosentomaten vor.
    »Die Gläser sind hier«, sagt Kerry auf der anderen Seite der Küche. »Wir haben alles ein

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