Sag's Nicht Weiter, Liebling
genau, wer diese Frau ist«, sagt Jack. »Ich kenne ihren Geschmack und ihre Lieblingsfarben. Ich weiß, was sie isst, und ich weiß, was sie trinkt. Ich weiß, was sie vom Leben erwartet. Sie trägt Größe vierzig, hätte aber lieber achtunddreißig. Sie …« Er breitet die Arme aus, als ob er nach Inspiration sucht. »Sie isst Cheerios zum Frühstück und taucht ihr Flake in den Cappuccino.«
Ich sehe überrascht auf das Flake in meiner Hand. Ich wollte es gerade in den Kaffee tauchen. Und … heute Morgen habe ich Cheerios gegessen.
»Wir sehen ja heute nur noch perfekte Hochglanzmenschen«, sagt Jack lebhaft. »Aber diese junge Frau ist echt. Sie hat gute Tage und schlechte Tage. Sie trägt Stringtangas, obwohl sie sie unbequem findet. Sie erstellt sich einen Trainingsplan, den sie dann nicht einhält. Sie tut so, als lese sie Wirtschaftsmagazine und versteckt Frauenzeitschriften darin.«
Ich starre fassungslos auf den Bildschirm. Einen … Moment mal. Das klingt doch alles irgendwie vertraut.
» Genau wie du, Emma«, sagt Artemis. »Ich habe gesehen, dass du eine OK! in der Marketing Week stecken hattest.« Sie dreht sich mit spöttischem Lachen zu mir um, und ihr Blick landet auf meinem Flake.
»Sie liebt Kleidung, ist aber kein Fashion Victim«, sagt Jack auf dem Bildschirm. »Sie trägt zum Beispiel gern Jeans …«
Artemis starrt ungläubig meine Levis an.
»… und eine Blume im Haar …«
Benommen hebe ich die Hand und berühre die Kunstrose in meinem Haar.
Er kann doch nicht …
Er kann doch nicht über …
»Oh … mein … Gott«, sagt Artemis langsam.
»Was?«, sagt Caroline neben ihr. Sie folgt Artemis’ Blick, und ihr Gesichtsausdruck verändert sich.
»Ach du lieber Gott! Emma! Das bist du!«
»Ach Quatsch«, sage ich, aber meine Stimme funktioniert nicht richtig.
»Doch!«
Die Leute fangen an, sich gegenseitig anzustupsen und sich nach mir umzudrehen.
»Sie liest täglich fünfzehn Horoskope und sucht sich das heraus, das ihr am besten gefällt …«, sagt Jacks Stimme.
»Das bist du! Das bist haargenau du!«
»… sie liest die Klappentexte anspruchsvoller Bücher und tut dann so, als hätte sie sie gelesen …«
»Ich wusste doch, dass du Große Erwartungen nicht gelesen hast!«, sagt Artemis triumphierend.
»… sie liebt süßen Sherry …«
»Süßen Sherry ?«, fragt Nick und dreht sich schockiert um. »Das ist ja wohl nicht dein Ernst.«
»Das ist Emma!«, höre ich Leute auf der anderen Seite des Raumes sagen. »Es ist Emma Corrigan!«
» Emma ?«, sagt Katie und starrt mich ungläubig an. »Aber … aber …«
»Das ist doch nicht Emma!«, sagt Connor und lacht plötzlich los. Er lehnt auf der anderen Seite des Raums an der Wand. »Macht euch doch nicht lächerlich! Emma trägt schon mal Größe sechsunddreißig, nicht vierzig.«
»Sechsunddreißig?«, prustet Artemis los.
»Sechsunddreißig!«, kichert Caroline. »Der ist gut.«
»Hast du nicht sechsunddreißig?« Connor sieht mich entgeistert an. »Aber du hast doch gesagt …«
»Ich … ich weiß.« Ich schlucke, mein Gesicht ist der reinste Hochofen. »Aber ich habe … ich war …«
»Kaufst du deine Klamotten wirklich immer Secondhand und tust so, als wären sie neu?«, fragt Caroline und sieht interessiert vom Bildschirm auf.
»Nein!«, verteidige ich mich. »Ich meine, ja, vielleicht … manchmal …«
»Sie wiegt 60 Kilo, aber sie behauptet, sie wöge 55!«, sagt Jacks Stimme.
Was? Was ?
Mein ganzer Körper zuckt zusammen.
»Das stimmt überhaupt nicht!«, schreie ich wütend den Fernseher an. »Ich wiege überhaupt nicht 60 Kilo! Ich wiege vielleicht 57 … einhalb …« Ich verstumme, als sich alle zu mir umdrehen und mich anstarren.
»… kann Gehäkeltes nicht leiden …«
Am anderen Ende des Raumes wird laut nach Luft geschnappt.
»Du kannst Gehäkeltes nicht leiden?«, höre ich Katies fassungslose Stimme.
»Doch!«, sage ich und drehe mich schockiert um. »Das
stimmt gar nicht! Ich finde Häkelsachen toll! Das weißt du doch!«
Aber Katie marschiert wutentbrannt aus dem Zimmer.
»Sie weint, wenn sie die Carpenters hört«, sagt Jacks Stimme im Fernsehen. »Sie hört gern Abba und kann Jazz nicht ausstehen …«
O nein. O nein o nein …
Connor starrt mich an, als hätte ich ihm höchstpersönlich einen Pfahl ins Herz gerammt.
»Du kannst … Jazz nicht ausstehen?«
Es ist wie in diesen Träumen, wo man in Unterwäsche gesehen wird und weglaufen möchte, aber nicht kann.
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