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Sag's Nicht Weiter, Liebling

Sag's Nicht Weiter, Liebling

Titel: Sag's Nicht Weiter, Liebling Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ich kann mich nicht losreißen. Ich kann nur unter Todesqualen immer weiter hinstarren, als Jacks Stimme unerbittlich fortfährt.
    All meine Geheimnisse. All meine persönlichen, ganz privaten Geheimnisse. Im Fernsehen ausgeplaudert. Ich stehe so unter Schock, dass ich nicht einmal alles aufnehme.
    »Sie trägt beim ersten Date ihre Glücksunterwäsche … sie leiht sich Designerschuhe von ihrer Mitbewohnerin und gibt sie als ihre eigenen aus … tut so, als würde sie kickboxen … ist sich religiös unsicher … hat Angst, ihre Brüste könnten zu klein sein …«
    Ich schließe die Augen, weil ich es nicht ertrage. Meine Brüste. Er hat von meinen Brüsten gesprochen. Im Fernsehen .
    »Wenn sie ausgeht, gibt sie sich kultiviert, aber ihr Bett …«
    Mit wird ganz schwach vor Angst.
    Nein. Nein. Bitte nicht das. Bitte, bitte …
    »… ist mit Barbie-Bettwäsche bezogen.«
    Brüllendes Gelächter brandet durch den Raum, und ich vergrabe das Gesicht in den Händen. Wie unfassbar peinlich. Niemand sollte von meiner Barbie-Bettwäsche wissen. Niemand .
    »Ist sie sexy?«, fragt der Interviewer und mein Herz macht
einen Hüpfer. Ich starre den Bildschirm an, kann vor Anspannung kaum atmen. Was wird er darauf antworten?
    »Sie ist sehr sinnlich«, sagt Jack sofort, und alle Augen richten sich gespannt auf mich. »Sie ist eine moderne junge Frau, die Kondome in der Handtasche hat.« Okay. Jedes Mal, wenn ich denke, es kann nicht mehr schlimmer werden, wird es schlimmer.
    Meine Mutter sieht sich das an. Meine Mutter .
    »Aber vielleicht hat sie ihr Potenzial noch nicht ganz entfaltet … vielleicht ist eine Seite an ihr bisher nicht befriedigt worden …«
    Ich kann Connor nicht ansehen. Ich kann überhaupt nirgendwohin gucken.
    »Vielleicht möchte sie mal etwas ausprobieren … vielleicht hatte sie mal - ich weiß nicht - eine lesbische Fantasie über ihre beste Freundin.«
    Nein! Nein! Mein ganzer Körper krampft sich zusammen. Plötzlich sehe ich Lissy zu Hause am Fernseher vor mir, mit aufgerissenen Augen, die Hand vor den Mund geschlagen. Sie weiß, dass es um sie geht. Ich werde ihr nie wieder in die Augen sehen können.
    »Das war ein Traum, okay?«, bringe ich verzweifelt heraus, als mich alle angaffen. »Keine Fantasie! Das ist ja wohl ein Unterschied!«
    Am liebsten würde ich mich auf den Fernseher stürzen. Die Arme darüber breiten. Dafür sorgen, dass er aufhört.
    Aber das würde schließlich nichts nützen, oder? In einer Million Haushalte laufen eine Million Fernseher. Überall schauen Leute zu.
    »Sie glaubt an Liebe und Romantik. Sie glaubt daran, dass ihr Leben eines Tages ganz wunderbar und aufregend wird. Sie hat Hoffnungen und Ängste und Sorgen, wie jeder andere auch. Manchmal ist sie verzagt.« Er macht eine Pause. Und
fügt mit sanfterer Stimme hinzu: »Manchmal fühlt sie sich ungeliebt. Manchmal hat sie das Gefühl, die Menschen, die ihr am wichtigsten sind, werden ihr nie Anerkennung zollen.«
    Ich starre Jacks warmes, ernstes Gesicht auf der Mattscheibe an, und meine Augen beginnen zu brennen.
    »Aber sie ist tapfer und herzensgut und geht aufrecht durchs Leben …« Er schüttelt benommen den Kopf und lächelt den Interviewer an. »Es … tut mir Leid. Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Es ist wohl ein bisschen mit mir durchgegangen. Können wir vielleicht …« Seine Stimme wird durch die des Interviewers unterbrochen.
    Durchgegangen.
    Es ist ein bisschen mit ihm durchgegangen.
    Das ist ja, als hätte er gesagt, der Ironman sei einen Tick anstrengend.
    »Jack Harper, vielen Dank für das Gespräch«, sagt die Interviewerin. »Nächste Woche sprechen wir mit dem charismatischen König der Motivationsvideos, Ernie Powers. Bis dahin vielen Dank an …«
    Alle starren auf den Bildschirm, bis sie mit der Abmoderation fertig ist und die Schlussmusik erklingt. Dann schaltet irgendwer den Fernseher aus.
    Ein paar Sekunden lang herrscht absolute Stille. Alle starren mich mit offenen Mündern an, als erwarteten sie, dass ich eine Rede halte oder ein kleines Tänzchen vorführe oder so. Einige schauen mitleidig, andere neugierig, wieder andere schadenfroh oder ihr Blick besagt einfach: Scheiße-bin-ichfroh-dass-ich-nicht-du-bin.
    Jetzt weiß ich ziemlich genau, wie sich die Tiere im Zoo fühlen.
    Ich gehe nie wieder in den Zoo.
    »Aber … das kapier ich nicht«, kommt eine Stimme vom anderen Ende des Raumes, und alle Köpfe drehen sich Connor
zu, wie bei einem Tennisspiel, »wieso weiß

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