Sag's Nicht Weiter, Liebling
Jack Harper so gut über dich Bescheid?«
O Gott. Ich weiß, Connor hat einen wirklich guten Abschluss an der Uni Manchester gemacht und alles. Aber manchmal ist seine Auffassungsgabe nicht die schnellste.
Die Gesichter haben sich wieder mir zugewendet.
»Ich …« Mein ganzer Körper kribbelt vor Scham. »Weil wir … wir …«
Ich kann es nicht aussprechen. Ich kann einfach nicht.
Aber das muss ich auch nicht. Connors Gesichtsfarbe ändert sich langsam.
»Nein«, schluckt er und starrt mich an, als hätte er ein Gespenst gesehen. Aber nicht einfach irgendein popeliges Gespenst. Sondern ein riesiges mit klirrenden Ketten, das »Whoooarr« macht.
»Nein«, sagt er noch einmal. »Nein. Das glaube ich nicht.«
»Connor«, sagt jemand und legt ihm die Hand auf die Schulter, aber er fegt sie weg.
»Connor, es tut mir Leid«, sage ich hilflos.
»Du machst wohl Witze!«, ruft ein Typ in der Ecke, der offensichtlich noch langsamer ist als Connor und dem man es gerade noch einmal genau buchstabiert hat. Er sieht zu mir auf. »Wie lange läuft das schon?«
Es ist, als hätte er eine Schleuse geöffnet. Plötzlich stürmen alle mit Fragen auf mich ein. Vor lauter Gebrabbel kann ich mich selbst nicht mehr denken hören.
»Ist er deswegen nach England gekommen? Um dich zu sehen?«
»Wollen Sie heiraten?«
»Weißt du, du siehst gar nicht aus wie 60 Kilo …«
»Hast du wirklich Barbie-Bettwäsche?«
»Und in dieser lesbischen Fantasie, wart ihr da nur zu zweit, oder …«
»Hatten Sie mit Jack Harper auch Sex im Büro?«
»Hast du Connor deswegen verlassen?«
Ich halte das nicht aus. Ich muss hier raus. Jetzt.
Ohne jemanden anzusehen, stehe ich auf und stolpere aus dem Raum. Als ich den Flur entlangstürze, bin ich zu benommen, um an irgendetwas anderes zu denken, als dass ich meine Tasche holen und verschwinden muss. Sofort.
In der leeren Marketingabteilung schrillen die Telefone. Die Macht der Gewohnheit ist so stark, ich kann sie nicht ignorieren.
»Hallo?«, sage ich und nehme wahllos einen Hörer ab.
»Aha!«, kommt Jemimas wütende Stimme. »›Sie leiht sich Designerschuhe von ihrer Mitbewohnerin und gibt sie als ihre eigenen aus‹, wessen Schuhe können das wohl sein? Lissys?«
»Hör mal, Jemima, ich kann jetzt nicht … tut mir Leid … ich muss weg«, sage ich schwach und lege auf.
Keinen Telefonhörer mehr abheben. Tasche nehmen. Abhauen.
Als ich mit zitternden Fingern den Reißverschluss meiner Tasche zuziehe, kommen ein paar Leute ins Büro, die mir gefolgt sind, und gehen an die Telefone.
»Emma, dein Opa ist dran«, sagt Artemis und hält die Hand über die Muschel. »Irgendwas mit dem Nachtbus und dass er dir nicht mehr vertrauen kann?«
»Da ist die PR-Abteilung von Harvey’s Bristol Cream«, fällt Caroline ein. »Sie wollen wissen, wohin sie dir eine kostenlose Kiste süßen Sherry schicken sollen?«
»Woher haben die meinen Namen? Erzählen die Mädels vom Empfang den schon in der ganzen Welt herum?«
»Emma, ich habe hier deinen Vater dran«, sagt Nick. »Er sagt, er muss dringend mit dir sprechen …«
»Ich kann nicht«, sage ich wie betäubt. »Ich kann mit niemandem reden. Ich muss … ich muss …«
Ich schnappe mir meine Jacke und renne fast aus dem Büro und den Gang entlang zur Treppe. Überall strömen Leute nach dem Fernseh-Interview in die Büros zurück, und alle starren mich an, als ich vorbeieile.
»Emma!« Als ich auf die Treppe zugehe, ergreift eine Frau namens Fiona, die ich kaum kenne, meinen Arm. Sie wiegt ungefähr hundertfünfzig Kilo und setzt sich unermüdlich für größere Stühle und breitere Türen ein. »Du solltest dich nicht für deinen Körper schämen! Erfreue dich daran! Die gute Mutter Erde hat ihn dir geschenkt! Wenn du Lust hast, komm doch am Samstag zu unserem Workshop …«
Entsetzt entwinde ich ihr den Arm und poltere die Marmortreppe hinunter. Aber schon auf dem nächsten Absatz packt mich wieder jemand am Arm.
»Hey, kannst du mir sagen, in welche Secondhand-Läden du gehst?« Ich kenne das Mädchen nicht mal. »Ich finde nämlich, du bist immer so gut angezogen …«
»Ich finde Barbies auch toll!« Plötzlich steht mir Carol Finch aus der Buchhaltung im Weg. »Wollen wir nicht zusammen einen Club gründen, Emma?«
»Ich … ich muss jetzt wirklich gehen.«
Ich weiche zurück und renne die Treppe hinunter. Aber ich werde weiterhin dauernd aus allen möglichen Richtungen angesprochen.
»Ich habe erst mit 33 gemerkt, dass ich
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