Sahnehäubchen: Roman
zurück.«
»Aber wirklich!«
»Ja, versprochen.«
Als ich aufgelegt habe, ziehe ich mich schnell an, drücke der Verkäuferin gefühlte 27 Büstenhalter in die Hand und verschwinde wort- und grußlos. Das sollte als Feedback reichen.
Auf der Straße schaue ich mich nach einem Ort um, an dem ich in Ruhe telefonieren kann, und entscheide mich für ein kleines Café neben dem Dessousgeschäft. Ich bestelle mir einen Latte macchiato, dann wähle ich Toms Nummer.
»Hallo Tom. Was gibt es denn so Dringendes?«
»Wohnst du im Hotel Neumann?«
»Bitte?«
»Ob du im Neumann wohnst? Das Hotel, das ich für euch gebucht habe?«
»Nein, wir sind woanders. Das mit dem Neumann scheinst du grandios vermasselt zu haben, aber ich verstehe nicht ganz, was das …«
»Mein Gott, nicht im Neumann?« Seine Stimme überschlägt sich fast. »Ich muss dich sofort treffen!«
»Sag mal, bei dir ist doch wohl eine Schraube locker!«, fahre ich ihn ungehalten an. »Dass das mit dem Hotel schiefgegangen ist – geschenkt! Da hast du schon größere Böcke geschossen. Deswegen müssen wir uns garantiert nicht treffen.«
»Nein, darum geht es doch gar nicht! Ich muss dich warnen: Dwaine ist nicht der, der du glaubst.«
Oh-oh … Offensichtlich hat Tom herausgefunden, dass Dwaine Nils ist. Gut, das hat mich auch erst umgehauen. Aber der Alarm, den Tom hier verbreitet, ist arg übertrieben.
»Tom, das weiß ich längst. Kein Grund, panisch zu werden.«
» Doch! Es ist überhaupt nicht so, wie du denkst! Bitte, wir müssen uns treffen. Sofort.«
Komisch, Tom klingt wirklich ernsthaft beunruhigt. Vielleicht sollte ich mir doch anhören, was er zu erzählen hat.
»Okay, ich bin aber erst morgen Abend wieder in Hamburg. So lange wirst du dich gedulden müssen.«
»Nein, ich bin ja schon in Hannover. Wo steckst du gerade? Ich komme vorbei.«
»Moment mal – wieso bist du in Hannover? Was geht hier eigentlich vor?«
»Nina, bitte sag mir, wo du bist!«
Eine Viertelstunde später kommt Tom durch die Tür und steuert gleich auf mich zu. Angespannt sieht er aus und sehr gestresst. Ich stehe auf und gebe ihm die Hand. Bloß keine Vertraulichkeiten. Der soll nicht meinen, dass ich ihn vermisst habe.
Tom lässt sich neben mich auf die Bank fallen und kommt gleich zur Sache. Und zwar ohne Umschweife.
»Nina, hast du mit Dwaine geschlafen?«
»Wie bitte? Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
»Ja, ich verstehe, dass dich diese Frage erstaunt. Aber ich muss es wissen.«
»Du spinnst wohl! Du willst mir nicht erzählen, dass du mal eben spontan von Hamburg nach Hannover gefahren bist, um mich das zu fragen, oder? Denn wenn es so ist, kannst du dich gleich wieder in dein Auto setzen und zurückfahren. Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich dir diese Frage beantworte.«
»Bitte, Nina, sei nicht böse.« Tom guckt mich eindringlich an. »Ich mache mir Sorgen um dich. Du bist in großer Gefahr!« Er greift nach meiner Hand, ich ziehe sie schnell zurück.
»Tom, spinnst du? Wir sind in Hannover, nicht in Kabul! Was ist eigentlich los?«
»Wie viel Zeit hast du?«
Ich gucke auf die Uhr. »Dwaine ist ungefähr noch eine Stunde im Funkhaus. Also, schieß los.«
Tom holt tief Luft. Dann dreht er sich zu seiner Tasche und zieht etwas daraus hervor, das wie ein Manuskript aussieht. Stirnrunzelnd lese ich das Deckblatt.
DAS SAHNEHÄUBCHEN
Wie ich die besten Frauen bekomme, auch wenn sie eigentlich nicht wollen
»Was ist das?«
»Das ist Dwaines neues Buch.«
»Ach stimmt. Er hat davon erzählt. Allerdings wird es wohl ein bisschen anders ausfallen, als alle denken.« Schließlich hat sich Nils ja entschlossen, die Wahrheit zu sagen. Gut, der Titel klingt jetzt nicht ganz danach, aber wahrscheinlich will er einen kleinen Etikettenschwindel betreiben – wäre ja nicht das erste Mal.
Tom schüttelt den Kopf. »Nein, ich denke, es wird anders ausfallen, als du denkst.« Und dann erzählt er mir die unglaublichste Geschichte, die ich je gehört habe. Wenn wir Aschenputtel mal außen vor lassen und uns auf Sachen konzentrieren, die im Hier und Jetzt passieren.
Als er fertig ist, schwanke ich zwischen Herzrasen und Ohrensausen. »Das darf doch nicht wahr sein«, flüstere ich. Ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen. Tom streicht mir über die Haare.
»Doch, ich fürchte, das ist es.«
»Also Dwaine ist nicht Nils, sondern Dwaine. Und er hat mir das alles nur erzählt, um mich rumzukriegen. Diese ganze
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