Sahnehäubchen: Roman
gute Alternative: Ich schlafe im Wohnzimmer auf der Couch, und du kannst es dir im Schlafzimmer gemütlich machen.«
»Ich rufe gleich das Housekeeping an«, meldet sich die Rezeptionistin dienstbeflissen zu Wort, »eine Aufbettung ist natürlich gar kein Problem. Wollen Sie die Erdbeeren und den Champagner trotzdem behalten?«
Erdbeeren und Champagner?
Sie sieht meinen erstaunten Gesichtsausdruck. »Na ja, das ist unser üblicher Willkommensgruß in der Hochzeitssuite.«
»Och, wissen Sie«, erwidere ich großzügig, »die können Sie ruhig stehenlassen.« Wo Vitamine so gesund sind!
Wie nicht anders zu erwarten, ist das Zimmer eine Wucht. Und Zimmer ist sowieso die Untertreibung des Jahres – diese Suite ist mit Sicherheit größer als meine Wohnung. Das Wohnzimmer ähnelt in Farben und Ausstattung der Empfangshalle. Natürlich ist es etwas kleiner, aber nur geringfügig. Vor den tiefen Fenstern hängen bodenlange Seidenvorhänge, auch hier windet sich ein Stuckband aus Blumengirlanden an der Decke entlang. Die Couch ist in Wirklichkeit eine ganze Sitzlandschaft, ihre moderne S-Form bildet einen aparten Kontrast zum Altbauambiente der Suite. Wie das Housekeeping die elegant geschwungene Form in ein praktikables Bett verwandeln will, ist mir zwar schleierhaft, aber das soll nicht mein Problem sein.
Auf dem Tisch neben der Couch steht tatsächlich ein Sektkühler, bis zum Rand mit Eis gefüllt und bestückt mit einer Flasche Champagner – das Etikett ragt noch ein wenig heraus und lässt die edle französische Herkunft erkennen. Daneben findet sich eine Schale mit Erdbeeren. Die Szenerie kommt mir bekannt vor … hmmm … Ich überlege kurz.
Richtig! Pretty Woman! Und das ist hier der Standard-Willkommensgruß? Ich bin bisher offenbar immer in den falschen Hotels abgestiegen.
Der Page stellt unsere Koffer neben der Tür ab, Nils bedankt sich und gibt ihm ein Trinkgeld. »Und? Gefällt es dir?«, will er von mir wissen.
»Es ist ganz toll.«
»Nicht wahr? Na, dann geh mal weiter auf Entdeckungstour.«
Ich öffne die Tür zum Schlafzimmer. Hier steht ein riesiges Himmelbett mit einem Überwurf aus cremefarbenen Rüschen und einem weißen Himmel, der mit goldenen Fäden durchzogen ist. Ein bisschen kitschig, aber trotzdem wunderschön.
»Wow! Das sieht aus wie im Märchen!« Ich fühle mich tatsächlich ein bisschen wie Prinzessin Lillifee. Nils lächelt.
»Stimmt. Schade eigentlich, dass das hier tatsächlich nur eine Dienstreise ist.«
Ich knuffe ihn in die Seite. »He, freu dich lieber, dass du jetzt nicht auf deinem Kämmerlein im Hotel Neumann sitzt.«
»Du hast völlig recht. Und deswegen köpfen wir zur Feier des Tages die Flasche Schampus. Danach werde ich mich ganz brav auf mein Sofa zurückziehen und dir diesen Kleinmädchentraum von Bett überlassen. Versprochen!«
Der Champagner ist eiskalt und sehr prickelnd, die Erdbeeren passen fantastisch dazu. Richard Gere wusste einfach, wie man’s macht. Ich lasse mich auf die Couch fallen, Nils prostet mir im Stehen zu.
»Ich trinke auf Tom und Frau Smit. Oder wer auch immer die Sache mit dem Hotel verbaselt hat und mir dadurch diesen Abend beschert.« Ich hebe ebenfalls mein Glas, denn wo er recht hat, hat er recht.
»Prost! Und auf den erfolgreichen Abschluss deiner Lesereise!«
»Du bist froh, wenn die vorbei ist, oder?«
»Ja, du weißt doch, dass ich mich damit ein bisschen schwertue. Aber in zwei Tagen hast du es geschafft und kannst endlich wieder der sein, der du bist.«
»Der sein, der ich bin.« Nils guckt mich nachdenklich an. »Das klingt leicht und schwer zugleich.« Er setzt sich neben mich. Ich spüre, wie mir wärmer wird. »Der Abend mit dir nach der Verlagsfeier war unglaublich schön. Aber ich habe seitdem Angst, dass du ihn vielleicht bereut hast.« Nils stellt sein Glas ab und nimmt meine freie Hand. »Hast du?«
Ich schüttle den Kopf und stelle mein Glas ebenfalls ab. »Nein, ich fand ihn auch sehr schön. Ich hatte zwar einen Schwips, aber ich war noch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte. Mach dir also keine Sorgen.«
Nils lächelt. »Da bin ich aber froh. Das bedeutet mir viel. Als du nach unserem Barbesuch so schnell verschwunden warst, hatte ich das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben. Ich wollte dich nicht bedrängen, aber du sahst einfach umwerfend aus. Siehst du heute übrigens auch.«
Das ist eine fette, wenn auch sehr charmante Lüge. Ich glaube, ich sehe heute eher genauso aus, wie ich mich gerade
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