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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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denn jetzt vor? Strip-Poker? Wettschießen? Aber nichts von alledem: Dwaine fängt an zu singen – und zwar Happy Birthday. Nach einer kurzen Schrecksekunde stimmen nach und nach alle ein. Danach umarmt Dwaine Finja und gibt ihr einen filmreifen Kuss. Alex bleibt der Mund offen stehen, und auch die restlichen Gäste staunen nicht schlecht. Inklusive meiner Wenigkeit. Was …
    Bevor mein Schwager allerdings in Erwägung ziehen kann, gewalttätig zu werden, lässt Dwaine Finja wieder los. »So, liebe Freunde, leider müssen wir jetzt gehen – ein Telefoninterview mit dem Houston Chronicle .« Mit weltmännischer Miene hebt er bedauernd die Hände, dann nimmt er meine Hand und zieht mich von meinem Stuhl.
    Finja ist jetzt völlig verwirrt. »Äh, heißt das, ihr wollt los?«
    »Ja, leider. Du weißt ja, die Zeitverschiebung. Nächstes Jahr bleiben wir länger, versprochen!« Die letzten Worte ruft er ihr schon aus dem Flur zu, ich kann mir gerade noch meine Jacke schnappen, dann sind wir draußen. An der kalten, frischen Luft bin ich auf einmal wieder völlig wach.
    »Sag mal, warum hast du mich eigentlich gerade da rausgeschleift? Und welches Interview?«
    »Hase, ich habe dich gerade vor den größten Langweilern Nordeuropas gerettet. Ich konnte genau sehen, dass du eigentlich schon geschlafen hast. Höflichkeit sollte nicht dazu führen, dass du wertvolle Lebenszeit verschwendest. Also sei mir dankbar und geh einen mit mir trinken.«
    Ich sehe ihn mit großen Augen an. Er hat mich gerettet? Er ist, trotz seiner großen Klappe, ein wirklich netter Kerl, wenn er will?
    »Aber nur unter einer Bedingung«, sage ich.
    »Und die wäre?«
    »Du musst fahren. Oder wir brauchen ein Taxi. Und du nennst mich nie wieder Hase.«
    »Geht klar, mein Sahnehäubchen.«

    Ich war schon seit Ewigkeiten nicht mehr im 439. Aber da ich weit davon entfernt bin, ein geübter Pistengänger zu sein, fiel mir auf die Schnelle keine andere Bar ein. Erstaunlicherweise hat sich in den fünf Jahren meiner Abwesenheit rein gar nichts in dem Laden verändert: Die Wand hinter der U-förmigen Theke ist immer noch dunkelrot gestrichen, auf den Sitzbänken vor den Fenstern kuschelt dichtgedrängt ein Publikum, das optisch irgendwo zwischen kunstbegeisterter Architekturstudentin und junggebliebenem Werber schwankt. Insgesamt eine sehr entspannte Atmosphäre – warum war ich bloß so lange nicht mehr hier?
    Dwaine schaut sich in Ruhe um und scheint nicht unzufrieden mit meiner Wahl. »Was willst du trinken?«, will er von mir wissen. Ich überlege kurz. Was habe ich hier immer so gerne getrunken? Genau – Gin Tonic. Früher wurde der hier im Mischungsverhältnis 2:1 ausgegeben: zwei Teile Gin auf einen Teil Tonic, wohlgemerkt. Ob sich das gut mit dem ganzen Rotwein verträgt, der in meinem Magen schwappt? Dann siegt die Neugier.
    »Ich hätte gerne einen Gin Tonic.«
    Dwaine nickt, zockelt ab und ist drei Minuten später mit zwei sehr, sehr großen Longdrinkgläsern wieder da. Wir prosten uns zu, und Dwaine nimmt einen kräftigen Schluck.
    »Wow – was ist das denn für eine teuflische Mischung!« Aus seiner Stimme spricht Ehrfurcht. »Damit könnte man selbst einen texanischen Cowboy vom Pferd holen.«
    »Tja, in Deutschland ist eben nicht alles kleiner als bei euch.«
    »Aber fast alles! Einen so geilen Typen wie mich hast du hier unter Garantie noch nie kennengelernt!« Er grinst breit.
    »Sagen wir mal so: Einen Typen wie dich habe ich in der Tat noch nie kennengelernt.«
    Sein Grinsen wird noch breiter. »Du bist Single, oder?«
    »Ich wüsste nicht, was dich das angeht.«
    »Ach komm, wir sind so viel zusammen unterwegs – wenn es da jemanden gäbe, hätte ich es gemerkt. Außerdem hat es dein toller Schwager auch gesagt. Und der wird es ja wohl wissen.«
    Ich schweige. Denke gar nicht daran, vor dem Bekloppten mein Privatleben auszubreiten.
    »Oder stehst du auf Frauen?« Er sieht mich herausfordernd an.
    »Bei den Dingen, die ich auf deinen Veranstaltungen über Männer lerne, wäre das eine sinnvolle Alternative«, kontere ich.
    »Ach, Nina, gib einfach mal zu, dass ich genau dein Typ bin.« Er streicht mir spielerisch mit einer Hand über die Wange, und tatsächlich kann ich gerade gar nicht sagen, ob er mich nun blöd anmacht oder einfach nur ein bisschen provozieren will.
    »Vorsicht, Dwaine«, sage ich, weil das in jedem Fall die richtige Antwort ist. »Wenn der Gin Tonic nicht so lecker wäre, könnte er auch in deinem Gesicht

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