Sahnehäubchen: Roman
wieder versucht zu kuppeln. Furchtbar! Aber nicht mit mir.
»Mach dir um meinen Tischherrn keine Sorgen. Den bringe ich selbst mit.«
»Aha? Davon hat Finja mir gar nichts erzählt. Da bin ich aber überrascht.«
Ja, ich bin auch überrascht. Das ist mir jetzt so rausgerutscht, was sage ich denn nun?
»Äh, ich wollte sie später noch dazu anrufen. Ich werde, also …« Fieberhaft gehe ich sämtliche Singlemänner in meinem Bekanntenkreis durch, aber auf die Schnelle fällt mir natürlich nicht ein, wen ich kurzfristig anrufen könnte. Kein Wunder, während der Provinztour habe ich ja eigentlich mit niemandem gesprochen außer mit … genau! »Ich werde Dwaine Bosworth mitbringen, das ist der Schriftsteller, den ich momentan betreue.« Ich muss mir gar nicht erst die Mühe machen, zur Seite zu schauen, um zu wissen, dass mein Beifahrer große Augen macht.
»Ein amerikanischer Bestsellerautor«, werfe ich meinem Schwager noch schnell an den Kopf. »Sehr vermögend und weltgewandt. Aber er möchte mal live erleben, wie es in deutschen Vororten so zugeht.«
»Na ja, von mir aus«, sagt Alex lahm; offensichtlich ist es mir wirklich gelungen, ihn in die Schranken zu weisen. »Dann bis später.«
Als er aufgelegt hat, räuspere ich mich. »Also, es tut mir leid, Dwaine. Das ist mir eben so rausgerutscht. Aber ständig versucht meine Familie, mir irgendwelche Typen anzudrehen, und mein Schwager kann …«
»… ein ganz schönes Ekel sein«, vollendet Dwaine den Satz und grinst. »Ist schon okay. Ich habe am Wochenende sowieso nichts vor und fände es eigentlich ganz nett, mal ein bisschen Zeit außerhalb eines Hotels zu verbringen.«
»Danke, das ist nett von dir, Dwaine.« Ich lächle ihn an – das erste aufrichtige Lächeln, das ich diesem Mann bisher gezeigt habe. Fühlt sich eigentlich gar nicht schlecht an.
»Ehrensache, Hase. Normalerweise stelle ich mich nicht als Walker zur Verfügung. Aber in deinem Fall mache ich eine Ausnahme – in deinem Fall würde ich sowieso noch ganz andere Sachen machen.«
Herrje, fängt der schon wieder an! Immer, wenn ich mal eine nette Seite an ihm entdecke, lässt er wieder den Macho raushängen!
»Weißt du, Dwaine, vergiss es einfach. Ich gehe alleine hin, und du kannst am Wochenende schön in deinem Hotelzimmer hocken bleiben.«
»He – so war das doch gar nicht gemeint! Ich wollte nur lustig sein. Natürlich freue ich mich, wenn du mich mitnimmst. Nicht, dass ein Kerl wie ich in Hamburg lange allein bleiben würde, aber ein Abend mit Freunden ist eine schöne Sache.«
Ich finde zwar nicht, dass wir Freunde sind, aber ich will das mal gelten lassen. Für seine Verhältnisse ist Dwaine gerade sensationell zurückgerudert, und schon allein aus pädagogischen Gründen muss ich dieses Verhalten unterstützen.
»Also gut. Ich hole dich um sieben im Hotel ab. Und zieh was Ordentliches an, meine Schwester ist eher konservativ. Vielleicht bleibst du auch einfach so normal, wie du gerade aussiehst.«
Dwaine rollt mit den Augen. »Keine Sorge, ich weiß, was sich gehört. Und ich setze noch einen drauf: Ich besorge auch noch ein schönes Geschenk für deine Schwester. Schließlich weiß ich, was bei Frauen ankommt.«
Wieso ist der Mann auf einmal so nett? Andererseits: Es steht ihm. So wie die Jeans, das Hemd und die ungegelten Locken. Ich glaube, das kann ein richtig netter Abend werden.
Ich amüsiere mich königlich! Seit einer guten halben Stunde sitzen Dwaine und ich mit einem Glas Sekt in der Hand im von Kannhardtschen Wintergarten – und ungefähr genauso lange wirft Finja Dwaine immer wieder verstohlene Blicke zu. Wenn sie mich ansieht, kann man geradezu das große Fragezeichen über ihrem Kopf sehen, und das macht mir einen Heidenspaß.
Jetzt nutzt sie die Gelegenheit, passt mich auf dem Rückweg von der Toilette ab und zieht mich hinter sich her in die Küche. Es ist offensichtlich, dass mein spontanes Mitbringsel sie sehr beschäftigt.
»Sag mal, und das ist also der Starautor, den du betreust?«, eröffnet sie das schwesterliche Verhör.
Ich zucke mit den Schultern. »Ja, wieso?«
»Den habe ich mir irgendwie ganz anders vorgestellt. Bei Schriftsteller denkt man doch als Erstes an einen sehr schüchternen Menschen in einem schwarzen Rollkragenpulli mit einer dicken Hornbrille und schütteren Haaren.«
Gut, wenn das Finjas Vorstellung ist, kann man Dwaine getrost als das diametrale Gegenteil bezeichnen. Optisch und inhaltlich. Zwar hat er sich an
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