Saigon - Berlin Thriller
auch so. Ich habe die vier Terroristen umgelegt, bevor sie schießen konnten. Die Verletzung von Großer Drache geht auf Ihre Schüsse zurück. Sie haben nur noch in die von mir getöteten Vietcong gefeuert. Also, was ist? Noch einmal zehntausend. Sonst rede ich morgen mit meinen Leuten vor der Kamera.«
Ali versuchte an seine Pistole zu kommen, die nur wenige Zentimeter weiter im Gürtel steckte. Ein Schuss und die Hand erreichte die Browning nicht mehr. Kleiner Drache hatte auf die Schulter gezielt; der Arm zuckte kraftlos.
»Was ist, Monsieur Sharif? Soll ich weitermachen? Oder bekommen wir das Geld?«
Die Beretta zielte auf seinen Kopf.
»Dann stehen Sie nicht mehr als Versager da, der nicht schießen kann. Oder wollten Sie, dass Großer Drache dabei umkommt? Ich hoffe nicht.«
Kleiner Drache sprang wie eine gespannte Feder aus ihrem Sitz hoch und schoss. Ali fasste sich an den Kopf, mit der Linken. Sah ungläubig auf seine blutende Hand.
»Jetzt haben Sie bei dem Schusswechsel in der Bar selbst etwas abbekommen und können das Interview schön authentisch allein geben. Ihnen wird schon etwas einfallen, um als Held dazustehen. Und Ihre MPs können Sie behalten. Also, was ist mit dem Geld? Oder soll ich Sie jetzt umlegen? Dann sind Sie als Doppelagent enttarnt. Sie Schwein arbeiten nämlich für beide Seiten. Zusammen mit diesem La Troux.«
Ali griff sich an die Stirn, an der der Streifschuss nicht nur eine Wunde, sondern mindestens eine Gehirnerschütterung hinterlassen hatte. Wie bei mir. Ich hatte Kopfschmerzen.
»Du machst morgen das Interview und den Bericht wie besprochen. Danach können wir beide noch einmal über alles reden. Ohne dieses Mistvieh von Vietcong.«
Ali verschwand im Treppenabgang. Er hätte als ehemaliger Fremdenlegionär auch mit der gesunden Hand zurückschießen können. Dafür waren diese Männer ausgebildet, sich bis zum letzten Atemzug zu wehren. Er hatte es nicht getan.
Ich war verwirrt. Kleiner Drache hatte vier ausgebildete Männer erschossen. Wo war sie überhaupt so schnell hergekommen? Durch die Lobby und die Bar sicher nicht. Ali hatte hinter der New York Times gesteckt. Hatte er überhaupt geschossen? Ja, das hatte er. Seine Pistole roch nach frischem Pulver. Aber, von dem Platz hinter der Times konnte er mich unmöglich auf der linken Seite erwischt haben. Die war der Bar zugewandt. Die Streifschüsse waren von seinem Sitzplatz unmöglich. Sie wurden mir von vorne beigebracht. Nur wer das getan hatte, daran fehlte mir die Erinnerung. Vier vermeintliche Kollegen hatten plötzlich Pistolen in den Händen gehabt. Dann war bei mir der Blackout eingetreten.
»Bist du dir sicher, dass du nicht auf mich geschossen hast?«
Kleiner Drache lud die zwei verschossenen Patronen im Magazin nach.
Wer log von den beiden? Oder waren alle Lügner und ich der Mittelpunkt eines Spiels? Eines Spiels, in dem man uns unabhängige Journalisten dazu nutzte, auch eine vordergründig unabhängige Berichterstattung abzuliefern?
»Hast du Kleiner Drache gesehen?«
Sie war irgendwann in der Nacht auf die Toilette gegangen. Ich war darüber wieder eingeschlafen. Die Augen zu öffnen war mir bei Tagesanbruch schwergefallen. Zwei Streifschüsse und zwei Flaschen Whiskey. Eines von beiden war zu viel gewesen. Mein linkes Auge war zugeschwollen wie nach einem Volltreffer von Max Schmeling.
Ali sah auch nicht besser aus. Die Wunde an seiner Stirn war genäht worden und mit einem breiten Mullpflaster bedeckt. Er trug den rechten Arm in der Schlinge. »Deine Vietcong meinst du? Nein. Wenn du es nicht weißt, wer dann? Komm, die Kameras warten. Am Tatort ist nichts verändert worden. Weder das Blut, noch die Geschosshülsen wurden entfernt. Auch die Leichen liegen noch an ihrem Platz.«
Vier Kameras, vier Tonbänder verfolgten unseren Auftritt.
Bewacht wurde der Tatort von einem Dutzend Militärpolizisten.
»Komm.« Ali zog mich an seinen gestrigen Sitzplatz in der Sitzgruppe. »Wie viele Hülsen zählst du?«
Es waren acht Neun-Millimeter-Hülsen, die um den Sessel herumlagen. Das Kaliber seiner Browning.
»Und hier?« Die Kameras surrten. Sie nahmen jeden Schritt von uns auf.
»Fünf Schritte von dieser Tür, die aus dem Vorratskeller in den Barraum führt, liegen wie viele Hülsen?«
Ich zählte. Es waren auch acht. Aber Kaliber 7.65. Das der Beretta.
»Und hier, bei den Leichen?«, gab Ali keine Ruhe. Die Kameras schwenkten auf die Körper.
Da lagen zwölf Hülsen. Nur vier davon
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