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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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hättest du nicht antworten können.«
    Der junge Mann ging neben mir in die Hocke. Entlud seinen Trommelrevolver und steckte eine Patrone in die Kammer zurück. Drehte sie und hielt sie mir hin.
    »Wir haben gewettet«, grinste er mit schweißnassem Gesicht.
    »Einer von uns dreien wird jetzt sterben.« Die anderen lachten und klatschten Beifall.
    »Wie heißt du?«, fragte ich, indem ich versuchte eine Eskalation zu vermeiden.
    Der Junge lachte. »Du verstehst uns also doch. Aber das ändert nichts am Spiel.« Wieder Beifall von seinen Kollegen.
    Ich nahm den Revolver. Er war schwer und warm.
    »Wie sind die Regeln?«
    »Ich bin Wau aus Hanoi. Freiheitskämpfer und Sohn eines Arztes, den eure Bomber mitsamt dem Krankenhaus dem Boden gleichgemacht haben. Können wir spielen?«
    Spielen? Diese Kinder wollten spielen?
    »Um was wollen wir spielen?« Alle lachten. Sie hatten mich überführt, dass ich ihre Sprache verstand und leidlich sprach.
    »Um unser Leben. Eine Patrone ist jetzt in der Trommel. Und ich habe zehn Dong gewettet, dass bei der ersten Runde jeder von uns ...«, er deutete auf sich, mich und den röchelnden Brian, »am Leben bleibt.«
    Ich wog den Revolver in der Hand. Ein Schuss war darin.
    »Vergiss, was du gerade denkst. Du kannst auf mich schießen ...« Wau nahm mir die Pistole ab und drehte die Trommel neu. »Meine Kollegen legen dich sofort um. Also, was ist? Dein schwarzer Kollege stirbt in spätestens einer Stunde. Spielen wir darum, ob wir uns gegenseitig erschießen können. Oder ...«
    Er rief seine Kollegen auf, den Einsatz zu verdoppeln. Brian war der Jackpot und wer ihn erschießen durfte. Erschießen konnte, wenn er das russische Roulette überlebte.
    Scheine wechselten den Besitzer. Der LKW rumpelte weiter über die schlammige Piste. Das war keine gute Plattform für eine tödliche Wette.
    »Können wir?« Wau setzte sich den Revolver an die Schläfe. Es klickte nur. Diese Kammer der Trommel war leer.
    »Du bist dran. Dann gibst du ihn an deinen Freund weiter.«
    Wieder wechselten Scheine die Besitzer. Wie hoch die Wetten auf uns inzwischen standen, wollte ich nicht wissen.
    Wir waren wahnsinnig. Warum taten wir das? Ich steckte den Lauf in den Mund und nahm ihn wieder raus.
    »Wau. Wie alt bist du?«
    Wau hatte das Kinn auf die Mündung der M16 gestützt.
    »Hilft dir das, wenn du stirbst? Ich bin zwanzig und Kompanieführer.« Die anderen lachten. »Was ist? Schieß endlich. Oder bist du ein Feigling? Solche Menschen mag ich nicht. Dann erledige ich dich lieber selbst. Los mach schon. Sonst verliere ich viel Geld.«
    Die Mündung des Gewehrs drückte sich in meinen Nacken. Ich schob den Revolver wieder in den Mund. Mir war schon alles egal. Drückte ab. Es machte nur »Klick«. Auch diese Kammer war leer.
    Wie viel Liter Flüssigkeit speicherte der menschliche Körper? Ich wusste es nicht. Aber ein Monsunregen konnte nicht mehr auf meiner Haut hinterlassen, als ich ausschwitzte. Und es hörte nicht auf. Ich hatte Angst. Nackte Angst. Das Bedürfnis den Revolver auf diesen Vietcong abzufeuern. Ich brauchte nur vier Mal abzudrücken. Dann würde ihn die einzige Kugel treffen, die diese Waffe enthielt. Ich ließ sie sinken. Es war sinnlos. Die Wettkameraden lauerten geradezu darauf, dass ich einen Fehler machte. Dann hatten sie ihren Einsatz womöglich vervielfacht.
    Ich gab die Waffe an Brian weiter, der halbwegs bei Bewusstsein war. Er hustete und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Besah sich seine Hände und nickte.
    »Meinen Sohn habe ich hier verloren. Nun bin ich dran. Mein Sohn braucht mich. Er ruft aus dem Jenseits. Seht ihr? Das ist unser gemeinsames Blut.«
    Brian nahm den Revolver und meine Hand. »Greenhorn, versprich mir, dass du dich um meine Familie kümmerst. Sag ihnen, dass ich meine Pflicht als Soldat erfüllt habe. Als Vater habe ich versagt.«
    Er schob sich die Waffe auch in den Mund und drückte ohne zu zögern ab.
    »Klick«.
    Die Kammer war auch leer. Brian sank erschöpft auf die Ladefläche. »Er will mich noch nicht. Dann kann es um ihn ja nicht so schlecht stehen.«
    Waus Kollegen diskutierten heftig. Sie wollten ein neues Spiel. Wieder wechselten Geldscheine den Besitzer.
    Wau fing auch an zu schwitzen. Er gab dem Druck seiner Kollegen nach. Lud die Waffe neu. Dieses Mal mit zwei Kugeln. Ließ die Trommel laufen.
    Das Spiel war für einen von uns nicht zu gewinnen.
    Wau wog den Revolver in der Hand und lächelte.
    »Dieses Mal geht es nur um euch beide.

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