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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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glücklichste Mensch der Erde.
    Ich sah auf die Uhr, die ich nicht mehr trug, und lächelte. Reine Gewohnheit. Ich war jetzt zeitlos und noch im Besitz von zehn Zigaretten. Wie lange dauerte es, eine davon zu rauchen? Fünf Minuten, zehn oder gar nur zwei? Wo war ich hier und warum? Meine Gehirnhälften wimmelten ab. Diese Frage wollte die eine nicht beantworten. Die andere konnte es nicht.
    »Dann nicht. Verschieben wir es bis morgen«, murmelte ich.
    »Hast du noch eine Zigarette für mich?«
    Ich war gerade eingeschlafen. Schreckte hoch.
    »Was zum Teufel willst du jetzt hier? Ich denke, du bist die Wärmflasche für Ronald.«
    Vesuv lehnte sich in der Hocke an den Baumstamm und seufzte. Ich gab ihm eine Zigarette.
    »Als Journalisten verfolgen wir alle ein Ziel. Die Berichterstattung. Aber als Gefangene passen wir nicht zusammen. Das gibt mir zu denken. Da sind wir, was wir eigentlich sind, Hyänen, die dem Kollegen nichts gönnen.«
    »War das jetzt die Predigt zum Sonntag?«, knurrte ich zurück. Von Moralpredigten hatte ich die Schnauze voll.
    »Du bist noch nicht lange dabei«, fuhr Vesuv fort. »Du hast deinen Kollegen Schikowski abgelöst. Der Typ war nicht ausgebrannt. Der stand nur kurz davor, hier erledigt zu werden. Sein Rauschgift hat er im Diplomatengepäck nach Europa geschickt. Dabei hat ihm Fjodor geholfen, der das alles über Moskau nach Ostberlin weitergeleitet hat.«
    Meine Gehirnhälften schlossen sich doch noch einmal zu einer kurzfristigen Zusammenarbeit zusammen.
    »Und, was hilft uns das Wissen hier?«
    Vesuv murmelte etwas auf Italienisch.
    »Fjodor ist ein Kommunist. Die Vietcong werden von Moskau und nicht, wie man auf Grund der Grenznähe vermuten könnte, von China unterstützt. Wir sind hier in einem kommunistischen Umerziehungslager. Warte ab, bis die einen Dolmetscher gefunden haben, der dich in die Zange nimmt. Wir haben das schon hinter uns.«
    In die Zange nehmen. Das war ein Ausdruck, der mich an die Foltermethoden des Mittelalters erinnerten.
    »Und was hat man mit euch gemacht?«
    Vesuv schüttelte den Kopf. »Nur, wenn ich noch eine Zigarette bekomme.«
    Jetzt waren es nur noch sechs Glimmstängel. Das Benzin im Feuerzeug würde für keinen Wurm mehr reichen.
    »Sie wollen wissen, was die Amerikaner als Spione und Berater hinterlassen, wenn sie abziehen.«
    »Mehr nicht? Woher sollen wir Journalisten das wissen?«
    Vesuv machte einen tiefen Atemzug und knirschte mit den Zähnen.
    »Weil sie uns für die Spione halten. Brian ist tot. Ali wird gesucht, genauso wie La Troux. Dieses Kloster war eine Falle, um alle dorthinzulocken, die über irgendwelche Informationskanäle verfügen. Wir Rindviecher sind darauf hereingefallen. Man brauchte uns nur einzusammeln. Und ... du bist mit einer von diesen Kollaborateurinnen, wie sie das nennen, liiert. Das hat Fjodor denen gesteckt. Mach dich auf etwas gefasst.«
    Vesuv versuchte seinen nassen Hosenboden zu säubern. Er fluchte.
    »Kaum ist man aus den Windeln, hat man wieder einen Job, der Windeln erfordert. Wenn ich nach Hause komme, suche ich mir einen Platz in der Redaktion. Da kriegt mich niemand mehr von einem trockenen Stuhl hoch.«
    »Moment mal«, sagte ich und bot ihm noch eine Zigarette an. »Wenn ich dich richtig verstehe, wurde Fjodor als Spion für die Kommunisten auf uns angesetzt.«
    Vesuv zuckte mit den Schultern. »Finde es selbst heraus. Das sind nur meine Vermutungen. Warte dein Verhör ab. Dann entscheide selbst, wer hier was ist. Kommunist ist nicht gleich Kommunist. Es gibt Kommunisten, Sozialkommunisten, Bolschewiken, Stalinisten, Maoisten, Ho-Chi-Minhisten. Kurz, genauso viele wie Religionen. Ich halte mich da raus. Ich will hier nur überleben. Mehr nicht.«
    Vesuv trottete davon. Ein Mann mit hängenden Schultern und in den nassen Hosentaschen versenkten Händen.
 
    Zwei Tage später.
    Der Regen hatte sich verzogen. Der Wald um uns dampfte.
    Es war eine Luft wie nach einem Saunaaufguss. Ich hatte an meinem Baum geschlafen. Er vermittelte mir ein Gefühl von Sicherheit.
    Ernährt hatte ich mich, ohne es zu rösten, von dem, was der Boden hergab, der schnell trockener wurde. Mein potenzieller Lebensmittelvorrat würde sich nun in seine vertrauten Behausungen verziehen. Dann hätte ich ein Verpflegungsproblem.
    Außerhalb unseres Stacheldrahts tat sich etwas. LKW-Motoren dröhnten. Stimmen wechselten sich mit Schüssen ab. Ich streichelte die Rinde des Baums. Er reagierte nicht. Gerne hätte ich ihn gefragt, zu

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