Saigon - Berlin Thriller
verspreche Ihnen, es hat Ihnen nicht geschadet. Jedoch mir geholfen. Verzeihen Sie bitte meine Drohungen von damals. Ich habe es wiedergutgemacht. Ich bin seither Polizeichef dieses Viertels.« Er prostete mir zu. Nickte wohlwollend.
»Auf Ihre Tochter.«
Ich nahm noch einen Schluck. Irgendwie hatte ich mich verhört. Ich sollte mit der Sauferei aufhören.
»Meine Tochter?«
Der Mann nickte. »Haben Sie den Brief von Chu, ich meine Kleiner Drache nicht bekommen? Ja, Sie beide haben eine Tochter. Vorgestern geboren. Gesund und ungewöhnlich schwer.«
Der Mann lächelte. Ein verschmitztes Lächeln.
»Kennen Sie Gnong Duc? Den Mönch?«
Meine Erinnerungen quollen hoch. Dieses verfluchte Kloster, für das er als Bettelmönch unterwegs gewesen war. Das Kloster, das man uns Journalisten als Falle gestellt hatte. Der Bruder von Kleiner Draches Vater.
Ich nickte. »Was hat der damit zu tun?«
Der Mann nickte zufrieden.
»Ich bin auch ein Angehöriger der Familie in Chau Doc. Chu hat nach dem Anschlag im Hotel bei uns auf ihre Niederkunft gewartet. Können wir gehen? Ihr Kleiner Drache wartet auf Sie. Der Name der Tochter ist noch zu klären. Und dazu brauchen wir den Vater.«
Den Vater? Woher sollte ich wissen, ob ich der wirkliche Vater war?
»Und wenn ich nicht will? Ich weiß doch nicht, ob ich der Vater bin.«
Der Mann wiegte den Kopf. Lächelte. Rauchte und bestellte noch eine Flasche.
»Nein. Das können Sie natürlich nicht wissen. Das weiß ein Mann nie. Damit müssen wir leben.«
Eine lange Pause trat ein. Der Wirt brachte Knabbergebäck. Ihm war die Anwesenheit des lokalen Polizeichefs sichtlich unangenehm.
»Sie müssen es einfach glauben. Sie haben diese Erklärung unterschrieben, dass Sie für Chu und die Folgen haften und für Ihre, wie sagt man ... Konkubine, verantwortlich sind. Hier. Ist das Ihre Unterschrift oder nicht? Sonst muss ich Sie leider sofort verhaften.«
Er legte mir das Dokument vor, das meine Unterschrift trug. Inzwischen war mein Viet gut genug, um zu verstehen, was ich unterschrieben hatte. Ich hatte als vermeintlich zufriedener Besucher Cholons eine Heiratserklärung für Kleiner Drache unterschrieben. Und dieser Mann war nicht Polizeichef des Distrikts. Er war der Polizeichef von Saigon. Höher ging es nicht mehr.
Er hatte mich reingelegt. Mich mit seiner Nichte verkuppelt. Ein schneller Handgriff, meine Unterschrift unter dem Dokument abreißen, und sie verschwand in meinem Mund. Ohne zu kauen, schluckte ich das Papier und lächelte.
Er lächelte auch.
»Können wir nun gehen? Ist nicht weit von hier. Ich hätte noch mehr Kopien, die Sie runterschlucken könnten.«
Die Sonne verneigte sich langsam in ihrem Zenit.
Die Kurbel für das Beifahrerfenster war abgebrochen. Die Scheiben waren dreckig. Das Getriebe knirschte mit den Zähnen. Alles, was dieses Auto als Polizeifahrzeug auswies, waren die Signalleuchten auf dem Dach. Hier war langsam alles marode und schien sich, wie dieser Polizeichef, nur noch zu bereichern.
Eine weiße Mauer mit einem roten Tor. Wir waren irgendwo in Saigon. Nach Cholon oder ins Hotel würde ich allein nie wieder zurückfinden. Er wusste das und spielte es genüsslich aus.
»Wir sind da«, verkündete er und stellte den röhrenden Motor ab. »Kommen Sie. Ihre Frau und Ihre Tochter erwarten Sie.«
Wut kroch in mir hoch. Ich wollte etwas sagen. Ließ es aber. Ich war wieder gefangen. Gefangen in einem Gespinst von Unverständnis, Unwissenheit und meiner jugendlichen Dummheit.
Na ja, Peter, dann wollen wir mal, knurrte meine Logik.
Das geht schief, meckerte die rechte Gehirnhälfte dagegen. Dann schwieg sie.
Ein rotes Tor in einer gekalkten Ziegelmauer. Es zeichnete sich durch viele abblätternde Anstriche und eine Drachenkralle aus, die als Türöffner darauf prangte. Messing. Angelaufen. Mit Grünspan bedeckt.
»Hier?« Ich deutete auf den Eingang.
»Ja hier. Das ist das alte Viertel der Khmer aus dem 17. Jahrhundert. Heute wohnen alle die hier, die nirgendwo zu Hause sind. Die ethnischen Minderheiten wurden nach und nach von den Chinesen vertrieben. Seither gibt es den Volksstamm der Khmer offiziell nicht mehr in Saigon. Die Franzosen als Kolonialmacht konnten mit diesen unbequemen Bauern - Banditen, wie sie die nannten - überhaupt nichts mehr anfangen und haben sie seit 1890 ausgerottet, vertrieben oder als Sklaven an die Plantagenbesitzer verkauft. Seither haben sich diese ungebildeten Menschen neue Taktiken ausgedacht. So wie
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