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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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nach meinem Aufenthalt im Gefangenenlager etwas Unwirkliches hatte. Und noch jemand wirkte hier unwirklich. Er saß mit gesenktem Kopf im Lotossitz im Schatten des Baumes und meditierte.
    Ich setzte mich auf die Bank. Die alte Frau rührte weiter im Kessel.
    »Das kannst nur du Deutscher sein. Du hast einen typischen Schritt und eine unverkennbare Art eine Tür zu schließen.«
    Gnong Duc, der buddhistische Mönch, lächelte.
    »Schön, dass du überlebt hast. Aber zu Kleiner Drache kannst du momentan nicht. Sie hat bei der Geburt viel Blut verloren. Jemand ist bei ihr, der sich damit auskennt. Also keine Sorge. Dein Kind ist wohlauf.«
    Ich scharrte mit den Füßen im Boden. Sein Kopf wandte sich dem Geräusch zu und sah zu mir auf. Ich erschrak. Der Mönch hatte keine Augen mehr. Aber er lächelte.
    »Wer hat dir das angetan?« Ich brauchte einige Zeit, um seinen Zustand zu begreifen.
    Gnong Duc tastete nach der Bank. Ich half ihm einen Platz zu finden.
    »Wie hast du in diesem Zustand hierhergefunden?« Eine dümmere Frage fiel mir nicht ein.
    Der Mönch nahm meine Hand und lächelte in die Sonne, die er nicht mehr sah. Er fühlte sie nur noch.
    »Du bist dünn geworden«, stellte er fest, während er meine Finger abtastete. »Und du stellst zu viele Fragen, deren Antworten nichts mehr bringen. Die Dinge sind, wie sie sind. Ich kann damit umgehen. Lerne du es auch. Dann ist dein Leben einfacher.«
 
    »Knackarsch!«, brüllte eine Stimme über den Hof. Die Schweine und Hühner stoben auseinander. »Dass du noch hier bist ... ich fasse es nicht.«
    Wie ein gewaltiges Rollkommando überfiel mich Micky. Erdrückte mich. Küsste mich ab. Zog mich auf die Bank.
    Der Mönch lächelte jetzt nicht mehr. Er grinste.
    »Ihr kennt euch, hat er mir gesagt«, plapperte sie los und war nicht mehr zu bremsen.
    Es gab Blutsuppe aus dem Kessel und Whiskey aus ihrer Arzttasche. Auch Zigaretten hatte sie dabei.
    Gnong Duc begab sich wieder in den Lotossitz. Er meditierte weiter.
    Sie erzählte und erzählte.
    Ali hatte recht gehabt. Das Kloster Sanmonorum war von Vietcong belagert und letztendlich niedergebrannt worden. Amerikanische Aufklärungsflugzeuge hatten Alarm geschlagen und Truppen geschickt. Das Rote Kreuz hatte sich der wenigen Überlebenden angenommen. So war Gnong Duc wieder hier gelandet.
    »Ach so, ich soll dir beste Grüße von Ali bestellen. Ihm haben wir das Überleben des Mönchs zu verdanken. Er hat ihn irgendwo aufgelesen, als er ziellos herumirrte, und bei der Polizei abgeliefert.«
    »Ali? Was hat der damit zu tun? Wo steckt er jetzt?«
    Micky zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er war vor Wochen kurz hier, um nach dir und Brian zu fragen. Dann war er wieder weg.«
    »Hat er irgendeine Nachricht hinterlassen?«
    Micky verzog ihr Schokoladenpuddinggesicht und schüttelte die Kinnlappen.
    »Nein. Nichts. Sollte er?« Sie sah auf ihre Uhr und sprang auf. »Himmel, ich muss die Infusion wechseln! Dann kannst du Mutter und Kind sehen. Moment noch. Ich rufe dich.«
    Die alte Frau fütterte die Schweine mit den Innereien ihres Artgenossen, der im Kessel gelandet war.
    »Du solltest vorsichtig gegenüber meinem Bruder, dem Polizeichef, sein«, murmelte Gnong Duc. »Wenn das hier so weitergeht, dann gewinnen die Vietcong. Dann hängt er am Galgen. Und das weiß er. Er ist korrupt. Er hat sein Geld und die Familie schon in die USA geschafft. Wenn die Amerikaner ihre letzten Truppen abziehen, bekommt er hier kein Bein mehr auf die Erde.«
    Wenn die Amerikaner ihre letzten Truppen abziehen. Wie sich das anhörte. Das würde einer gigantischen Niederlage gleichkommen und der Geschichte recht geben. Kein Okkupator dieses Erdteils hatte sich hier lange halten können. Es gab keine definierbaren militärischen Strukturen, gegen die jemand mit moderner Technologie hätte wirksam kämpfen können.
    »Welchen Tag haben wir?«, fragte der Mönch.
    »Äh ... Februar 1970.«
    Er nickte. »Verkauf einen Blinden nicht für dumm. Das Jahr und den Monat weiß ich. Ich will den Tag wissen.«
    Da musste ich selbst rechnen. Was für ein Tag war heute? Irgendwie war mir seit dem Lager alles aus dem Ruder gelaufen. Ich war nahezu zeitlos geworden. »Sonntag.«
    Gnong Duc nickte. Die Schweine balgten sich ums Futter.
    »Dann muss ich euch bald trauen. Sonst verliert Kleiner Drache langsam ihr Gesicht. Sie ist kämpferisch. Aber ohne Trauung bleibt sie eine Nutte. Und das hat sie nicht verdient. Bist du mit nächster Woche

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