Saigon - Berlin Thriller
Hand vor dem Kopf.
»Ich glaube, den sollte sich mal der Chef ansehen. Der hat nicht nur die Augen verloren.«
Sie brüllte durch den Korridor nach einem Arzt. Der Mönch folgte willig.
»Dammbrüche müssen wir verhindern. Sonst hungert das Volk«, murmelte er gebetsmühlenartig vor sich hin.
Es wurde etwas ruhiger. Micky zauberte einen Flachmann mit Whiskey hervor. Wir tranken und schwitzten.
»Du wolltest doch schon längst in die USA zurück, um zu studieren.«
Micky nickte. »Ja. Will ich immer noch. Aber wir bekommen keine Leute mehr, die in Vietnam Dienst machen wollen. Die Studenten in den USA und Europa gehen auf die Straßen und rufen: ›Ho-Chi-Minh!‹.« Sie zauberte noch einen Flachmann aus ihrer Fülle hervor. »Also harre ich hier aus. Ich habe keine Lust, zu Hause auf die Straße zu gehen, nur um gegen etwas zu demonstrieren, das mir eh keiner glauben würde. ›He, du warst doch in Vietnam und eine von uns. Bestätige, dass wir uns anständig benommen und die Genfer Konventionen eingehalten haben.‹«
Unwillig schüttelte sie den Kopf.
»Nein. Die können mich alle mal. Nein, nein. Ich lasse mich für keine Seite mehr einspannen.« Sie seufzte. »Muss mal nach den Patienten sehen. Treffen wir uns in einer Stunde noch in der Messe? Dann zeige ich dir, wo du schlafen kannst.«
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Mach nicht so ein blödes Gesicht. Das steht dir nicht. Es gibt nur noch eine Messe für alle. So viele Leute sind wir hier nicht mehr. Gerade noch genug, um die Basis vor Angriffen zu schützen. Auflösungserscheinungen an allen Ecken. Unsere Truppen müssen den Flugplatz freihalten, damit wir geordnet abrücken können. Was immer das auch heißt. Geordnet.« Micky blies die Backen auf und schüttelte den Kopf. »In meinem Saustall von Küche herrscht mehr Ordnung. Wird Zeit, dass ich nach Hause komme.«
Eine Stunde später.
Ich hatte noch eine Weile auf der Bank gesessen und versucht, meine Situation zu überdenken. War froh, dass ich keine Menschen um mich hatte. Mir war nach einer dicken Zigarre, einem vierfachen Whiskey und keinem Krieg mehr. Ich musste hier raus und einem zivileren Beruf nachgehen. Kleintierzuchtverein. Fußballclub, Karnevalsprinz oder von mir aus auch nur über die Kneipenkultur in Köln berichten. Nur raus hier.
»Kommst du mal mit?« Micky rüttelte mich aus den kleinkarierten Gedanken eines kleinbürgerlichen Lebens.
»Ist was mit Kleiner Drache und dem Kind?«
Micky trabte mit rudernden Armen durch die Gänge in der Baracke. Sie schwitzte. Ich schwitzte.
»Das Baby ist versorgt. Deinem kleinen Drachen haben die Ärzte das Leben gerettet.« Sie atmete tief durch. »Aber glaub ja nicht, dass dieses zierliche Wesen jemals wieder ein Kind bekommen wird. Außerdem sollte sie schnellstens in ein vernünftiges Krankenhaus. Sie braucht 'ne Scheidenplastik. Sie ist keine Frau mehr, wie ihr Männer euch das vorstellt.«
Micky rollte weiter wie ein Panzer durch Korridore vor mir her. Sie war sauer und ich schluckte trocken. Was, zum Teufel, war eine Scheidenplastik? Ersatzbeine, Ersatzarme kannte ich inzwischen. Aber dass es für Frauen auch solche Prothesen gab, war mir neu.
»Komm. Ein paar Leute haben ein dickes Problem mit dem Mönch.« Sie stieß eine Tür mit der Aufschrift OP3 - Zutritt verboten auf. Schob mich hinein und zog die Tür wieder zu.
Fünf Männer waren im Raum. Ein Arzt. Zwei Militärpolizisten, der Mönch - und Ali el Sharif, der an einem Besteckkasten lehnte. Gnong Duc war nackt und ... tot. Zwei kleine Löcher in seinem Kopf und seiner Herzgegend wiesen darauf hin, dass er erschossen worden war.
Ich hatte nichts von einem Schuss gehört.
»Ihr könnt gehen. Ich mache den Bericht.« Ali trieb die Männer aus dem Raum und wedelte mit einem Ledergürtel, der wie die Patronentasche eines Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg aussah.
Er wandte sich an mich. »Ich hätte Brian und dich für klüger gehalten. Ich habe euch gesagt, ihr Idioten sollt umkehren. Du bist zu jung und Brian war zu alt für solch ein Kommando. Habe ich das gesagt?«
Ali wedelte weiter mit dem Gürtel. Ich nickte. Er hatte recht. Brians Verbohrtheit und mein jugendlicher Leichtsinn hatten einige Kollegen das Leben gekostet.
»In diesem Gürtel, den der Mönch unter seiner Kutte trug, sind zwanzig Pfund eines neuartigen Plastiksprengstoffes. Es ist eine tschechische Erfindung. Sie hat eine einhundert Mal höhere Sprengkraft als alle uns bisher bekannten Sprengstoffe.
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