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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hef Buthe
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Mercedes ausfahren. Das Klebeschild am Lenkrad, dass die Winterreifen nur bis 210 Kilometer pro Stunde zugelassen waren, interessierte mich nicht. Wer mir folgen wollte, musste schon einen Rennwagen haben. Mit der Lichthupe scheuchte ich Trabbis und Wartburgs auf die Seite. Ich hörte förmlich das Fluchen der Fahrer, die sich mit achtzig Stundenkilometern gen Westen kämpften. Verschwindet. Euch und eure Schlitzaugen wollen wir hier nicht. Das blieb mir als hasserfüllte Erinnerung hängen. Also jagte ich Trabbis.
    Warst du nicht auch einmal ein verhasster Ausländer in einem fremden Land?, murrte mein Gehirn. Ich nickte. Gab mir aber sogleich eine Entschuldigung. Ich war nur Beobachter.
    So, so, Beobachter. Und was ist das da auf dem Rücksitz? Auch nur eine Beobachtung?
    Ich schüttelte die Gedanken ab. Aber sie klebten wie ein alter Kaugummi irgendwo in meinem Gehirn. Wo war der Unterschied zwischen einer Opiumspinne und einem Kaugummi? Das Opium verlor bald an Wirkung und verlangte nach mehr. Der Kaugummi war nicht mehr zu entfernen. Er hinterließ immer eine Restspur. Und die lag auf dem Rücksitz.
    »Ich muss mal«, kam es vom Rücksitz. Es war das erste verständliche Wort meiner Tochter, seit ich sie im Kofferraum gefunden hatte.
    Wir waren kurz vor Hannover. Im Westen. Ich steuerte die nächste Raststätte an. Wartete. Es war 12.00 Uhr. Das Telefon gab keinen Laut von sich. Weder mein Kollege aus dem Verlag noch der Unbekannte meldeten sich. Ich überprüfte die Empfangsqualität. Sie war optimal.
    »Ohne mich gehst du nirgendwo hin«, pfiff ich The-Maria zurück.
    Sie drehte sich um. Öffnete kurz ihre Jeansjacke. Im Hosenbund steckte die Makarow von Jupp. Winkte kurz und deutete auf das Restaurant. Hob zwei Finger. In zwei Minuten bedeutete das. Sie beherrschte die Zeichensprache ihrer Mutter. Sie war ihre Mutter. Feingliedrig. Schlank. Entschlossen. Eigenwillig. Sie war eine weibliche Schönheit. Den Körperbau hatte sie von mir. Unverhältnismäßig groß für eine Asiatin. Etwa einen halben Drachen größer als Kleiner Drache.
 
    »Warum musstest du ihn umbringen? Du weißt, dass wir jetzt auf der Flucht sind. Du darfst nicht hier sein. Warum bist du überhaupt in Ostberlin gelandet?«
    Der Gastraum war mäßig mit müden Fernfahrern besetzt. The-Maria kaute ein Salat-Sandwich. Nuckelte an einer Cola. Sah an mir vorbei zum Fenster hinaus. Kaute und trank weiter.
    Minuten vergingen. Leute kamen und gingen.
    »Du hast nicht das Recht, mich das zu fragen. Du hast mich nur einmal in deinem Leben gesehen, nach meiner Geburt.«
    Sie bestellte noch ein Sandwich. Noch eine Cola.
    Das stimmte. Ich hatte mich um Kind und Mutter recht wenig gekümmert. Wenn ich ehrlich war, überhaupt nicht. Das schlechte Gewissen war bei mir.
    »Deswegen bringt man doch keinen Menschen um. Die wollten dir, mir doch nur helfen.«
    The-Maria bestellte nach. Noch ein Sandwich, eine Cola.
    »Die wollten weder dir noch mir helfen. Die sind froh, wenn sie sich selbst helfen können. Und wer auf mich schießt, der muss sterben. Oder erinnerst du dich nicht mehr an die Zeit, als du auch so gedacht hast?«
    Das sollte meine Tochter sein? Einen Moment begann ich zu zweifeln. Diese junge Frau sah aus wie eine junge Frau. Nur ihre harte deutsche Aussage klang wie die einer fünfzigjährigen Reisbäuerin, die schon alles Elend des Vietnamkriegs erlebt hatte. Abgeklärt. Angriffslustig. Verzweifelt.
    »Wir sind nicht mehr im Krieg. Kannst du das nicht vergessen?« Ich hatte unwillkürlich die Stimme gehoben. Die Fernfahrer blickten nur kurz auf.
    »Genau das ist euer Problem hier. Wir sind immer im Krieg. Aber ihr wollt es nicht wahrhaben. Wohin fahren wir?«
    »Nach Hause«, knurrte ich schlecht gelaunt und ahnte, was nun kommen würde.
    »In dein Zuhause. Das ist nicht meins. Lass mich einfach in Ruhe. Ich komme schon allein zurecht. Was soll ich hier? Ich bin Stipendiatin der Volksoper von Saigon. Höher kann ich nicht kommen. Und das Stipendium gilt nur für die DDR.«
    Sie beobachtete den Verkehr auf dem Parkplatz vor der Raststätte und wurde unruhig.
    »Da ist der schwarze Wagen, der Monsieur Steigers Tochter, meine Freundin, und mich entführt hat.«
    »Steck die Waffe weg«, fauchte ich hinter vorgehaltener Hand. The-Maria deutete mit dem Lauf auf einen schwarzen Lincoln, der langsam an den parkenden Autos entlangfuhr. Ein amerikanischer Wagen, der seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut wurde. So schnell wie sie vom Tisch aufgesprungen

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