Saigon - Berlin Thriller
war, konnte ich nicht reagieren. Konnte nur noch hilflos zusehen, wie sie beidhändig die Waffe in Anschlag brachte. Es fiel nur ein einziger Schuss. Der Wagen rollte führerlos gegen einen geparkten LKW.
The-Maria hatte den Schrein in den Kofferraum verfrachtet. Nun schlief sie wieder. Asiaten konnten immer und überall schlafen. In der Bahn hakten sie sich mit den Handgelenken in die Halteschlaufen und schliefen. So konnten sie nicht umfallen. Die Beine schienen sie vom Rest des Körpers abzukoppeln. Die knickten nicht ein. Sie standen und schliefen.
Es hatte mich einige Mühe gekostet, meiner Tochter die Pistole abzunehmen. So ging das nicht weiter. Der Tote am Lenkrad des schwarzen Wagens war der Grobian, der mich beim Besuch des Sans Soucis gefilzt und Phong die Pistole abgenommen hatte. Kopfschuss durch das Seitenfenster. The-Maria verstand es mit Waffen umzugehen.
»Was, verflucht noch mal, ist mit meinen Informationen los?«
Ich näherte mich dem Ruhrgebiet. The-Maria sah ohne Regung zum Fenster hinaus. Hier regnete es und das Wetter war nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben.
»Tut mir leid, Peter«, murmelte die Stimme meines Kollegen in der Redaktion. »Aber wir können keinen Bruder dieses Ewald Steiger im Kölner Raum auftreiben. Wir haben alles versucht. Aber den gibt es nicht. Da muss dich jemand gelinkt haben. Ich soll dich vom Chef fragen, ob das jetzt Urlaub, Dienstverweigerung oder eine Kündigung von dir ist, was du zurzeit machst.«
»Arbeit, ihr Armleuchter«, fauchte ich zurück. »Ich bin in zwei Stunden im Verlag und will Personenschutz.«
Ich hatte eine Killerin als Tochter. Zwei Tote in wenigen Stunden. Messer. Pistole. Und sie sah nur in die verregnete Landschaft, als ginge sie das alles nichts an. Sprach kein Wort. Spielte unablässig mit einem vielfarbigen Gürtel aus Stoffresten. Zurrte Knoten hinein und löste sie wieder.
Mir war nicht wohl. Der Unbekannte rief nicht an. Hatte The-Maria seine Augen und Ohren im Lincoln eliminiert? War er nun blind und taub?
»Du solltest schneller fahren«, sagte The-Maria und wies in die Wassergischt hinter uns.
Ein Blick in den Rückspiegel. Ein weißer Golf war hinter uns. War es der aus Ostberlin oder ein anderer, der sich nur auf dem Weg von A nach B befand? Ich beschleunigte.
Bis 210 Stundenkilometer hielt der Golf mit. Er war es also. Und die Augen und Ohren des Unbekannten waren nicht blind und taub geworden.
The-Maria verstellte den Rückspiegel so, dass sie den Wagen beobachten konnte.
»Die Pistole.« Sie schnippte mit den Fingern.
»Willst du noch jemand umbringen? Das reicht jetzt. Wir sind im Goldenen und nicht im Wilden Westen.«
»Die Waffe. Sonst legt der uns um. Das ist Notwehr. Auch im Westen.«
»Und wer ist der? Wer zum Teufel hat dich entführt? Das hast du mir immer noch nicht gesagt. Du, ich meine wir, können doch nicht jeden umlegen, der uns auf den Fersen ist.«
The-Maria kroch auf den Rücksitz.
»Doch. Müssen wir sogar. Sonst geben sie keine Ruhe. Eure Gesetze interessieren die nicht. Die leben nach dem Gesetz des Dschungels. Und das kennst du ja ausreichend. Also, die Waffe bitte. Und fahr langsamer. Nicht bremsen. Er muss näher kommen«, kommandierte The-Maria. »Und wenn er nah genug ist, dann trittst du voll auf die Bremse und lenkst auf den Standstreifen.«
Mir war mehr nach einem Whiskey und einer guten Zigarre an einer gemütlichen Bar, als hier ein Gangsterrennen zu veranstalten. Aber ich wusste, was meine Tochter mit Dschungelkrieg meinte. Da gab es nur ein Entweder-Oder. Dazwischen war nichts. Nicht einmal ein Standstreifen.
Ich verminderte die Geschwindigkeit. 200, 180, 140 Stundenkilometer.
The-Maria kurbelte die linke hintere Scheibe herunter.
»Jetzt. Voll bremsen«, schrie sie in den Wind und Regen, der in den Wagen drang.
Der weiße Golf hatte keine Chance gehabt. Er hatte zu spät reagiert. In dem Moment, in dem er an uns vorbeischoss, hatte meine Tochter das komplette Magazin auf ihn abgefeuert. Leitplanke links. Leitplanke rechts. Überschlag und Abflug in ein Feld.
Ich kam auf dem Standstreifen zum Stehen. The-Maria sprang aus dem Wagen, lud nach und lief zurück zur Unfallstelle. Woher sie die Munition hatte, wollte ich nicht wissen.
Noch einmal sechs Schüsse, die sie in das Wrack feuerte. Im Laufschritt kam sie zurück und ließ sich wieder auf den Rücksitz fallen.
»War das jemand, den ich kennen sollte?« Eine makaberere Frage fiel mir nicht ein. Zwei Tote auf
Weitere Kostenlose Bücher