Saigon - Berlin Thriller
Kampfmieze. Es ist nicht zu fassen.«
Ali warf sich in den Stuhl und pfiff den Ober herbei. »Noch eine Flasche. Aber die geht auf diesen deutschen Idioten.«
Angespanntes Schweigen. Ali knirschte mit den Zähnen. Kleiner Drache rief lauter, dass sie Hunger habe und Geld brauche.
»Schaff dir dieses Weib vom Hals«, knurrte Ali. »Such dir eine Chinesin in Cholon. Die sind schlauer. Machen dir die gleiche Drecksarbeit, aber sie halten wenigstens den Mund. Sie haben keine Reisfelder hier. Sie bestellen den Sumpf der Militärs, indem sie die Beine breit machen. Da frisst du hinterher keine Würmer im Teigmantel.«
Ali rauchte. Er war sauer. Stinksauer. Das war am Ein- und Ausatmen des Rauchs zu hören.
»Deine Kampfbraut ist gerade dabei, uns einen Riesenauftrag zu versauen. Scheißviets. Die verstehen nichts außer Französisch und sich einen Liebhaber mit Folklore zu angeln. Der ist dann auch noch so dumm, ihnen die Wasserbüffel zu kaufen, die sie, wenn Opium mehr bringt, in den Suppentopf wandern lassen. Und sonst? Sonst laufen sie zu den Kommunisten über und machen sich einen Spaß daraus, einen teuflischen Kleinkrieg zu führen. Als Ablenkung von den Mohnfeldern, die sich allmählich bis Kambodscha erstrecken.«
Ali hatte sich in Wut getrunken. Er redete so laut, dass Kleiner Drache jedes Wort verstehen musste.
»Wer war der Mann?« Ich klebte ihm die nasse Visitenkarte an die Flasche.
Ali hielt kurz die Luft an und blies sie dann lautstark aus.
»Ja. Schon gut. Ich bin zu weit gegangen. Aber in diesem Land weiß ich bald nicht mehr, in welcher Sprache ich reden soll, ohne nicht in irgendeine Falle zu laufen. Hol deinen Drachen. Wir gehen im L'Étoile noch etwas essen. Ich geh schon mal vor.«
Er wankte aus dem Garten und ich aufs Zimmer.
Kleiner Drache saß weinend auf dem Bett. Sie hatte Alis Ausbruch mitbekommen.
»Du hast Hunger? Ich auch. Weißt du ein besseres Lokal?« Ich nahm ihre Hand und streichelte sie.
Das Zimmer sah wie ein Kirchenaltar aus. Überall brannten Kerzen. Der Ventilator lief nicht. Der Wasserhahn über dem Waschbecken spuckte röchelnd seine letzte Flüssigkeit aus. Kleiner Drache zog sich um.
»Was soll das denn werden?« Ich beobachtete sie. Vom Kampfanzug in ein chinesisches Schlitzkleid.
»Du willst doch eine chinesische Hure. Ab sofort bin ich eine. Und wir gehen chinesisch essen. Steck das ein. Ich habe keine Taschen mehr.« Sie gab mir den Revolver und ihr Schminkzeug.
»Ich denke nicht daran, hier mit einer Waffe herumzulaufen«, protestierte ich. »Und warum ausgerechnet nach Cholon? Das soll ein ziemlich verrufener Stadtteil sein.«
»Genau deswegen. Damit du mal selbst siehst, was wir von den Chinesen halten.« Sie streifte sich Seidenstrümpfe mit Nähten über. So sah sie wirklich wie eine Nutte aus.
»Du solltest mal Viet lernen. Dann kann uns nicht jeder Idiot aus Europa oder Amerika verstehen«, maulte sie.
»Habe nicht vor, hier länger als nötig zu bleiben. Und was soll ich mit eurer Sprache? Ihr habt so viele Dialekte, dass man mich in Da Nang wahrscheinlich nicht mehr versteht. Nein danke.«
»Ignorante Langnase.« Es klang wie das Fauchen eines Drachen. »So, ich bin fertig.« Sie blies die Kerzen aus und leuchtete uns mit einer Armeelampe den Weg durch die Hotelgänge.
Cholon, eine Stunde später.
Ein Cyclo, auch als Rikscha in Asien bekannt, hatte uns in diesen Stadtteil gebracht. Kleiner Drache hatte sich unentwegt mit unserem Fahrer unterhalten. Der schwitzte und trat in die Pedale. Hier brannte Licht. Dass irgendwo Krieg tobte, war nur an den Soldaten zu sehen, die betrunken jedem Weiberrock hinterherrannten. Argwöhnisch von Jeeps der Militärpolizei beobachtet. Einer fuhr im Schritttempo durch die Gassen. Zwei mit Pistolen und Schlagstöcken bewaffnete Polizisten flankierten den Wagen. Der Fahrer stand mit der Einsatzzentrale in ständiger Sprechfunkverbindung.
Kleiner Drache lächelte. »Das ist nicht wegen der betrunkenen GIs. Das Chinesenviertel hier ist der Unterschlupf der Vietcong. So glauben sie wenigstens. Aber wie willst du bei den Tausenden hier jede Nacht unterscheiden, wer zu wem gehört?«
Mir war überhaupt nicht danach, hier jemanden von irgendwas unterscheiden zu wollen.
Schwitzende Leiber schoben sich durch die Gassen. Es roch nach Essen aus den Garküchen, Alkohol, Tabak und Opium.
Grell geschminkte Frauen buhlten um jeden, der nicht nach Asiate aussah. Zerrten an ihm, bis er nachgab oder sich losriss. Rote,
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